Sportpolitik

Revolution an der Platte: Drei Verbände fusionieren

In Baden-Württemberg sind viele Verbände noch wie zu Nachkriegszeiten dreigeteilt. Im Tischtennis ist nun ein Zusammenschluss geplant.

12.04.2017

Von GEROLD KNEHR

Der Tischtennis-Nachwuchs geht mit gutem Beispiel voran. Kay Stumper (Salamander Kornwestheim, rechts) und Tom Eise (TTC Weinheim) traten als „Team BaWü“ bei der deutschen Meisterschaft in Bamberg auf. Foto: Eibner

Der Tischtennis-Nachwuchs geht mit gutem Beispiel voran. Kay Stumper (Salamander Kornwestheim, rechts) und Tom Eise (TTC Weinheim) traten als „Team BaWü“ bei der deutschen Meisterschaft in Bamberg auf. Foto: Eibner

Schnapsidee? Von wegen! Von den deutschlandweit acht Landesverbänden der Klein- und Obstbrenner sind gleich deren drei in Baden-Württemberg angesiedelt. Der Landesverband Nord-Württemberg hat seinen Sitz in Strümpfelbach, in Bodnegg ist die Zentrale der Brenner aus Südwürttemberg-Hohenzollern, und von Appenweiler aus werden die Belange der badischen Birnen- und Zwetschgen-Veredler vertreten. Zudem hat der Bundesverband seinen Sitz in Karlsruhe. Da kann dem unbedarften Beobachter schon mal schwindlig werden. Prost, Prost, Prösterchen...

Aber nicht nur bei den baden-württembergischen Schnapsbrennern ist eine derartige „Verbandsmeierei“ gang und gäbe. Auch im baden-württembergischen Sport findet man dieses Phänomen. Handballer, Volleyballer, Schützen, Fechter, Skifahrer aus dem Ländle leisten sich jeweils drei verschiedene Verbände. So wie auch die Fußballer, die sich in den Württembergischen (WFV), den badischen (BFV) und den südbadischen Verband (SBFV) aufteilen.

In Bayern ist dies anders: Im Freistaat gibt es beispielsweise nur einen Fußballverband. Und der ist dementsprechend mächtig. So sehr, dass er eine eigene vierte Fußball-Liga, die Regionalliga Bayern, durchdrücken konnte. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland müssen sich die Regionalliga-Südwest teilen – obwohl dort eine halbe Million mehr Fußballer in der DFB-Mitgliederstatistik stehen als in Bayern.

Gemeinsam sind wir stark. Dieses bajuwarische Motto wollen sich nun auch die Tischtennis-Funktionäre in Baden-Württemberg zu eigen machen. Aus dem Tischtennis-Verband Württemberg-Hohenzollern (TTVWH), dem badischen (BaTTV) und dem südbadischen Verband (SBTTV) soll einer werden. Was einer sportpolitischen Revolution gleichkäme. Anfang der 1990er-Jahre gab es bereits eine Initiative, die drei Organisationen zu einem gemeinsamen Verband zu vereinigen. Doch diese scheiterte am SBTTV.

Nun nehmen die Verantwortlichen einen neuen Anlauf. „Die Zeit ist reif. Wir wollen die vorhandenen Kräfte in einer neuen Struktur bündeln“, sagt Rainer Franke. Er ist nicht nur Präsident des württembergischen Verbandes, sondern steht auch einer Arbeitsgemeinschaft vor, in der die drei Verbände seit einigen Jahren bereits kooperieren.

Im Jugend- und Seniorenbereich klappt die Zusammenarbeit bereits recht gut. Nun aber ist mehr geplant. 2019, spätestens aber 2020 soll die Gründung eines gemeinsamen Tischtennis-Verbandes Baden-Württemberg erfolgen. „Für diesen Prozess gibt es keine Vorlage. Es gilt, die Strukturen zusammenzufügen, zahlreiche finanz- und satzungsrechtliche Details zu klären und vor allem die in den Verbänden tätigen Menschen zu überzeugen, gemeinsam den eingeschlagenen Weg mit Engagement voranzugehen“, sagt Franke.

Einfach wird dies nicht, weiß Franke. Um beispielsweise die unterschiedlichen Ordnungen zusammenzuführen, die in den zugehörigen Landessportbünden unterschiedlichen Finanzierungsmodelle abzustimmen und Maßnahmen der Sportentwicklung zusammenzufügen, bedarf es noch viel Arbeit. Derzeit sind zwölf paritätisch besetzte Arbeitskreise dabei, die Voraussetzungen für ein Zusammengehen zu schaffen. Ausgeklammert ist momentan noch die Frage eines einheitlichen Spielsystems. Dieses strittige Thema wird erst angegangen, wenn die Vereinigung beschlossen ist.

Die Dreiteilung vieler Verbände in Baden-Württemberg ist historisch bedingt und gründet letztlich auf den Beschlüssen von Jalta. Der Norden Badens war nach dem Krieg amerikanische Besatzungszone, Südbaden französisch. Der Zusammenschluss der Länder Baden und Württemberg erfolgte 1952, als sich die „großen“ Sportarten bereits organisiert hatten.

Sportpolitisch jedoch gleicht Baden-Württemberg auch 65 Jahre nach seiner Gründung weiter einem Flickenteppich. „Faktisch sind die alten Besatzungsgrenzen noch immer unsere Sportgrenzen“, hat Rainer Hipp. langjähriger Geschäftsführer der Landessportverbandes, einmal gesagt. Die Strukturen sind verkrustet. Die Tischtennis-Funktionäre stehen vor einer sportpolitischen Herkules-Aufgabe. Und werden, wenn der Zusammenschluss gelungen ist, bestimmt darauf anstoßen. Fragt sich nur, ob mit Schnaps aus Nord-, Südwürttemberg oder Baden.