Max-Planck-Direktor Stefan Schaal muss gehen

Robotik-Forscher hatte 6 Jahre zwei hauptamtliche Stellen · Jetzt muss der Doppelverdiener gehen

Stefan Schaal hatte sechs Jahre lang zwei hauptamtliche Stellen in Tübingen und Los Angeles. Jetzt muss der Max-Planck-Direktor gehen.

05.03.2018

Von Angelika Bachmann

Bei der Polit-Prominenz war Stefan Schaal (im Bild rechts, hinter Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, links davon MPG-Chef Martin Stratmann mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann) mit seinem Forschungsthema und den fotogenen Robotern stets beliebt. Archivbild: Metz

Bei der Polit-Prominenz war Stefan Schaal (im Bild rechts, hinter Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, links davon MPG-Chef Martin Stratmann mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann) mit seinem Forschungsthema und den fotogenen Robotern stets beliebt. Archivbild: Metz

Der Robotik-Forscher Stefan Schaal ist einer der drei Gründungsdirektoren des Max-Planck-Instituts für intelligente Systeme: Mit seiner Abteilung für autonome Motorik gehört er seit 2012 zu dessen Kern-Team. Jetzt muss Schaal gehen. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) hat das Beschäftigungsverhältnis des Max-Planck-Direktors vor zwei Wochen zu Ende April beendet, wie die Münchner MPG-Zentrale am Samstag auf Anfrage mitteilte.

Die Recherche des US-amerikanischen Journalisten Rex Dalton, veröffentlicht in der aktuellen Ausgabe des „Spiegel“, hatte an den Tag gebracht, dass Schaal über all die Jahre neben seiner Direktoren-Stelle am Tübinger MPI noch eine Professur an der University of Southern California (USC) innehatte. Umstritten ist, wer wie viel von diesem Doppel-Job gewusst hat. Das Max-Planck-Institut schreibt, es habe erst jetzt von dem „Umfang der Dienstverpflichtungen“ Schaals in Kalifornien erfahren. Als Max-Planck-Direktor dürfe er nach Beamtenrecht aber lediglich eine Nebentätigkeit im Umfang von maximal 20 Prozent annehmen. Zeitweilig habe man ihm darüber hinaus „zeitlich befristet“ eine Reduktion seiner Arbeitszeit eingeräumt. Der „Spiegel“ zitiert eine Sprecherin der Universität in Kalifornien: Dort sei erst kürzlich aufgefallen, dass Schaal eine bezahlte Vollzeitbeschäftigung am MPI innehabe.

Schaal widerspricht gegenüber dem TAGBLATT dem „Spiegel“-Artikel und den Aussagen der beiden Institutionen. „Von 2012 an wussten USC und die MPG von dem dualen wissenschaftlichen Engagement“, wie aus USC Dokumenten ersichtlich, so Schaal. Sein Forschungslabor in Kalifornien habe er auch deshalb aufrecht erhalten, weil ihm in Tübingen anfangs nur temporäre Räumlichkeiten im Technologie-Zentrum zur Verfügung gestanden hätten. Von der Zusammenarbeit der Standorte Tübingen und Los Angeles hätten beide Seiten profitiert.

Zur Doppelanstellung macht Schaal seine eigene Rechnung auf: Eine US-Professur sei üblicherweise nur eine 75 Prozent-Teilzeitanstellung mit automatisch genehmigtem Nebenamt von 20 Prozent – was die Verpflichtung auf 60 Prozent reduziere. Berücksichtige man Semesterferientage, komme man auf 50 Prozent Teilzeitanstellung. Zusammen mit einer 80 Prozent-Stelle in Tübingen (da sind die 20 Prozent erlaubte Nebentätigkeit schon abgezogen) errechnet Schaal eine „Gesamtverpflichtung“ von 130 Prozent. Das entspreche einer 52-Stunden-Woche. „Dass man im akademischen Bereich im Schnitt 60 Stunden pro Woche arbeitet, ist üblich“, schreibt Schaal. Er räume ein, dass er „administrativ alles besser und transparenter“ hätte handhaben können. Es sei ihm aber nie um einen Gehaltsvorteil gegangen, er habe immer im Interesse der Forschung gehandelt.

Seine Arbeitgeber sehen das anders. Schaals Doppel-Job widerspreche dem Beamtenrecht, so die Max-Planck-Gesellschaft. Die USC will ihrerseits prüfen, ob Maßnahmen erforderlich seien, berichtet der „Spiegel“. Zudem werden die Spesenabrechnungen geprüft. Laut „Spiegel“ hat das MPI für Reisen Schaals nach Kalifornien bezahlt, die USC wiederum sei für Spesen bei Tübingen-Aufenthalten aufgekommen. „Die MPG prüft nun, ob und wenn ja, in welchem Umfang Stefan Schaal zu Unrecht Leistungen erhalten hat, die gegebenenfalls zurückzufordern sind“, so die Max-Planck-Gesellschaft.

Noch nicht beantwortet ist die Frage, was mit Schaals Forschungsabteilung in Tübingen geschieht. Man habe besprochen, wer die Doktoranden künftig betreut, so die MPG. Was mit den Forschungsmaterialien oder etwa mit den Robotern Apollo und Athena passiert, ist noch nicht geklärt. Letzterer wurde unter anderem mit 1,5 Millionen Euro Fördergeld der US-Forschungsbehörde Darpa entwickelt und flog 2014 unter großem Medieninteresse als erster Roboter-Passagier von Los Angeles nach Frankfurt. Ob Athena jetzt den Rückflug in die USA antritt, wird unter anderem von der USC abhängen, die den Fall nun ebenfalls prüft.

Das jüngste der Tübinger Max-Planck-Institute

Das Max-Planck-Institut für intelligente Systeme wurde 2011/2012 gegründet. Es ist damit das jüngste der Max-Planck-Institut in Tübingen, neben dem MPI für Entwicklungsbiologie und dem MPI für biologische Kybernetik. Alle Institute sind unter dem Dach der Max-Planck-Gesellschaft vereint. Deren Finanzierung erfolgt überwiegend aus öffentlichen Mitteln von Bund und Ländern; im Jahr 2017 waren dies rund 1,8 Milliarden Euro.