Ein denkwürdiges Stück Zeitgeschichte wird zum melodramatischen Heroinen-Epos verkorkst.

Rosenstraße

Ein denkwürdiges Stück Zeitgeschichte wird zum melodramatischen Heroinen-Epos verkorkst.

24.11.2015

Von Birgit Roschy, AP

Rosenstraße

Im Februar 1943 wurden tausende von jüdischen Partnern aus geschützten "Mischehen" überraschend in ein Gefängnis in der Berliner Rosenstraße gebracht, um in die Konzentrationslager abtransportiert zu werden. Was genau in der Rosenstraße geschah, wo "arische" Frauen tagelang demonstrierten und sogar die Freilassung ihrer Ehemänner erreichten, ist historisch noch nicht vollständig erhellt. Margarethe von Trotta will mit ihrem neuen Film "Rosenstraße" dem damaligen Aufruhr - einem der wenigen verbürgten Fälle von Zivilcourage im "Dritten Reich" - ein Denkmal setzen und dampft ihn zum individuellen, fiktiven Melodram ein, das den Bogen von der Vergangenheit zum Heute schlägt.

Die New Yorkerin Hannah (Maria Schrader) reist nach Berlin, um die Hintergründe des seltsamen Verhaltens ihrer Mutter Ruth (Jutta Lampe) aufzuklären. Ruth, eine liberale Jüdin, entsinnt sich beim Tode ihres Mannes ihrer tragischen Vergangenheit, betreibt komplizierte Trauerrituale und ist plötzlich gegen die Heirat ihrer Tochter mit einem "Goj", einem Nichtjuden. In Berlin trifft Hannah die greise Lena, die in Rückblenden von der bösen Zeit erzählt: Lena, verheiratet mit einem jüdischen Musiker, gehörte zu jenen Frauen in der Rosenstraße und lernte dabei die kleine Ruth kennen, die den Nazi-Häschern entkommen war und deren Mutter ebenfalls hinter den Gefängnismauern verschwand. Lena nimmt sich ihrer an und setzt zugleich alle Hebel in Bewegung, um ihren Mann Fabian frei zu bekommen.

Katja Riemann hat dafür auf dem Filmfestival in Venedig den Preis als beste Darstellerin gewonnen. Als blonde Aristokratin, die ihrem Mann zuliebe alle Brücken zu ihren nazigläubigen Eltern abgebrochen hat, ist sie einerseits das perfekte Abbild einer Arierin, andererseits durch ihre Herkunft aber selbstbewusst und couragiert genug, um den Nazis die Stirn zu bieten.

Sie kann diese recht klischeehafte Figur mit Leben und Leidenschaft füllen: Mühsam ihre Verzweiflung bändigend, rennt sie, als "Judenhure" gedemütigt, von Pontius zu Pilatus, stets mit der Contenance einer Adligen auftretend und wohl wissend, dass sie keine Furcht zeigen darf. Aber: So gerne man Katja Riemann zusieht, so fade, geradezu enervierend zäh, ist oft das Drumherum, in dem sich in der immergleichen düsterbraunen Straßenkulisse der Babelsberg-Studios immerhin die deutsche Schauspiel- und Bühnenprominenz ein Stelldichein gibt. Jürgen Vogel als Lenas Bruder und Vertrauter, der als Krüppel von der Front zurückkehrt, bleibt so blass wie Lenas Vater, Abziehbild eines verstockten Nazi-Anhängers.

Margarethe von Trottas ungebrochene erstickende Umarmungstaktik gegenüber "starken Frauen", wie sie bereits in "Rosa Luxemburg" und "Die bleierne Zeit" spürbar war, ist diesmal besonders bedauerlich, wo man hinter den künstlich ausgebleichten Bildern, den geschraubten Dialogen und der schwerfälligen Dramaturgie unendlich viele interessante Details und noch nicht erzählte Geschichten à la "Der Pianist" ahnt.

Drinnen verschwitzte Enge und Angst, draußen verzweifelt rufende Frauen, dazwischen das nervöse Wachpersonal: Die wenigen privaten Streiflichter auf andere Frauen, die erst leise, dann laut "Wir wollen unsere Männer wieder haben" skandieren, wecken allein schon die Neugier. Sie versanden jedoch meist im platten Melodram.