Politik

„Sargnagel für EU-Autonomie“

Die Beziehungen der USA zu Deutschland und Europa haben unter Donald Trump gelitten, sagt Markus Kaim, Transatlantik-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Einiges davon könne Joe Biden aber ausbessern.

20.01.2021

Von STEFAN KEGEL

Politikwissenschaftler Markus Kaim. Foto: Xander Heinl/photothek.de

Politikwissenschaftler Markus Kaim. Foto: Xander Heinl/photothek.de

Berlin. Haben die vier Jahre unter Donald Trump irreparable Schäden im deutsch-amerikanischen Verhältnis hinterlassen?

Markus Kaim: Es sind tatsächlich Schrammen erkennbar. Ein großer Teil der Deutschen schätzt in Umfragen Russland und China inzwischen sogar als verlässlicheren Partner ein als die USA. Das hat jedoch viel mit der Person Donald Trump zu tun. Deshalb halte ich diese Tendenz für vorübergehend. Wäre es ihm allerdings gelungen, seine Abzugspläne für US-Truppen aus Deutschland durchzusetzen, wäre die Entfremdung sicherlich von Dauer.

Wegen der Querelen mit den USA unter Trump war viel von europäischer Eigenständigkeit die Rede, etwa beim Thema Verteidigung. Sieht Biden sich einem neuen europäischen Souveränitätswillen gegenüber?

Nicht überall. Es gibt im Prinzip drei Lager: Frankreichs Präsident Macron will Europa sicherheitspolitisch stärker selbstständig aufstellen. Was er damit allerdings konkret zu tun beabsichtigt, wird nicht so richtig klar. Entgegengesetzt denken die Polen. Für sie kommt eine Abkopplung von den Amerikanern nicht in Frage. Dazwischen steht Deutschland. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat zuletzt gesagt, dass sie eine strategische Autonomie Europas für eine Illusion hält. Die deutsche Politik wird also mit Biden weiter an das transatlantische Bündnis angedockt bleiben. All die europäischen Verteidigungs-Projekte, die seit 2016 an Fahrt aufgenommen haben, könnten nun an Schwung einbüßen. Vielleicht ist Joe Biden sogar der Sargnagel für die europäische Autonomie.

Sehen Sie Joe Biden als Übergangspräsidenten?

So sieht er sich sogar selber, wegen seines Lebensalters und wegen der absehbaren politischen Neu-Positionierung der Demokratischen Partei. Viel wird darauf ankommen, wie deren progressiver Flügel sich nun verhält. Er hat Biden im Wahlkampf unterstützt und wird Gegenleistungen einfordern. Es wäre aber politisch unklug vom Präsidenten, zu viel davon gleich am Anfang umzusetzen. Denn dies würde die Spaltung des Landes eher vertiefen statt sie zu heilen, wie er es versprochen hat. Zumal auch die Republikaner noch keine Anzeichen zeigen, nach Donald Trump auf einen moderateren Kurs zurückzukehren.

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Erstellt:
20.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 59sec
zuletzt aktualisiert: 20.01.2021, 06:00 Uhr

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