Archäologie in Bühl

Steinzeitfunde: scharfes Beil und spitzer Dolch

Funde belegen: Vor 9000 Jahren lebten Menschen im heutigen Bühl. Mit weiteren Grabungen im Neubaugebiet Obere Kreuzäcker ist nicht zu rechnen.

18.09.2019

Von Sabine Lohr

Steinzeitfunde am Ortsrand von Bühl
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02:29 min
Archäologin Michelle Greif präsentiert den Bühlern Fundstücke aus der Steinzeit. Video: Hans-Jörg Schweizer mit Material von Archaeoconnect
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Da hätten sich die Steinzeitmenschen einen guten Platz ausgesucht, fand der Bühler Ortsvorsteher Gerhard Neth, als er am Dienstagabend rund 40 Interessierte neben einem Acker am Ortsausgang Richtung Kiebingen begrüßte. Dort präsentierten Michelle Greif und Jochen Xander von der Firma Archaeo Connect, was sie im Boden gefunden haben. In Pappschachteln lagen Keramikscherben, Reste von Tierknochen und geschliffene Steine – kleine Beile und ein Dolch. Sie alle stammen aus der Steinzeit, dem Neolithikum. Manche Fundstücke sind schon 9000 Jahre alt, andere an die 7500 Jahre. Und sie beweisen zum ersten Mal: Hier lebten damals Menschen.

Dass sie dort sesshaft waren, beweisen auch die Pfostengruben, die die Archäologen fanden. In ihnen steckten einst dicke Holzstämme, die zu Häusern gehörten. Zwei Grundrisse konnten sie so sicher ausmachen – einer ist schiffsförmig und muss mittelneolithisch sein, also aus der Zeit um 5000 vor Christi stammen. Der andere, rechteckige, ist älter. „Es gab noch eine dritte Struktur, die auf ein Haus hinweisen könnte“, so Greif, die alle Funde in den Oberen Kreuzäckern auf einer Karte eingezeichnet hatte.

Verzierte Keramik

Auf der rund 13.000 Quadratmeter großen Fläche, die die Archäologen systematisch durchsucht haben, sollen bald neue Häuser stehen. „Aber wir haben schon aus der Luft erkannt, dass dort etwas ist“, so Greif. So hat das Landesdenkmalamt bestimmt, dass vor der Erschließung gesucht wird.

Unter den Funden stechen vor allem verzierte Keramikfragmente hervor sowie zwei gut erhaltene Steinbeile, die zusammen mit einer vermutlich endneolithischen Dolchklinge gefunden wurden.  Bild: Ulrich Metz

Unter den Funden stechen vor allem verzierte Keramikfragmente hervor sowie zwei gut erhaltene Steinbeile, die zusammen mit einer vermutlich endneolithischen Dolchklinge gefunden wurden. Bild: Ulrich Metz

Greif und Xander hatten längst nicht alles mitgebracht, was sie gefunden haben. Aber eine schöne Auswahl lag in den Schachteln. Einige kleine schwarze Keramikscherben, die mit hellen Kreisen und Strichen verziert sind und offensichtlich zu einem Gefäß gehörten (obere Reihe, zweite Schachtel von links). Mehrere helle Keramikstücke, teilweise mit Henkelansätzen (oben, zweite Schachtel von rechts). Eine zerbrochene Perle (oben links). Und Feuersteine (unten rechts).

Besonders schön sind die kleinen Beile (unten links). Sie sind sehr glatt geschliffen. Eines davon scheint wenig oder gar nicht gebraucht, so scharf und unzerkratzt ist es. Der glatt geschliffene grünliche Stein stammt wahrscheinlich nicht aus der Gegend. „Die Menschen damals trieben Handel“, klärte Greif auf. Und eine Erklärung dafür, dass das Beil noch unbenutzt ist, hatte ein Besucher parat: „Des alde hot’s halt no do.“

Die Beile, erklärte Greif, waren vermutlich geschachtet, hatten also einen Holzgriff. Sie hatte ein kleines Bild dabei, das ein derartiges Beil zeigte.

Für den Laien weniger offensichtlich ist der Sinn eines größeren Steinbrockens (rechts unten). Es handelt sich um ein Stück eines Mahlsteins. Ein weiteres Fundstück dagegen stammt garantiert nicht aus der Steinzeit: eine fein gearbeitete Pfeilspitze aus Metall (obere Reihe links). Auch der kleine Dolch (unten links) ist jünger als die anderen Funde, er stammt vermutlich aus dem Endneolithikum, das etwa von 2800 bis 2000 vor Christus dauerte. Vor allem dieser Fund ist etwas Besonderes, denn in der Region wurden bisher kaum andere derartige Dolche entdeckt.

Das Interesse an den Steinzeitfunden in Bühl war groß. Grabungsleiterin Michelle Greif (Vierte von rechts) erklärte, was sie und ihr Team in den Oberen Kreuzäckern fanden. Bild: Ulrich Metz

Das Interesse an den Steinzeitfunden in Bühl war groß. Grabungsleiterin Michelle Greif (Vierte von rechts) erklärte, was sie und ihr Team in den Oberen Kreuzäckern fanden. Bild: Ulrich Metz

Die Archäologen fanden bei der Untersuchung auch weitere Gräben, die sich ein Stück um die Häuser herumziehen. Greif vermutet, dass dort eine Palisade stand. Es könnte sich aber auch um Zäune handeln, die die Häuser voneinander abgrenzten.

Die Fundstücke werden nun alle untersucht, um ihre genaue Beschaffenheit und ihr Alter festzustellen. Danach sollen sie im Archiv des Landesdenkmalamts in Rastatt aufbewahrt werden.

Vitrine im Rathaus

Ortsvorsteher Neth möchte die Schätze aber gerne der Bevölkerung zeigen und klärte das gleich vor Ort mit Marc Heise vom Landesdenkmalamt ab, der ebenfalls bei der Präsentation dabei war. „Da wird jetzt geprüft, welche Sicherheitsstufe eine Vitrine haben muss, dann können wir eine kaufen und die Sachen im Rathaus zeigen“, stellte Neth zufrieden in Aussicht.

Die künftigen Bauherren brauchen übrigens nicht zu befürchten, dass in ihren Baugruben noch etwas auftaucht. Das Gelände wurde Stück für Stück komplett abgesucht und bis zum Neckarkiesel gegraben. Und wenn die Archäologen doch etwas übersehen haben, dauere es, so Heisel, höchstens vier Tage, dann könne weitergebaut werden.

Weitere Steinzeitfunde in der Region

Bei den Bauarbeiten der Autobahnanschlussstelle Rottenburg wurden im Juni Gegenstände aus der Jungsteinzeit gefunden, die in einer Rettungsgrabung geborgen wurden.

Im April entdeckte eine Archäologie-Studentin an der Ausgrabungsstelle „Lüsse“ am Käsbach in Pfäffingen ein vollständiges menschliches Skelett, das ebenfalls aus der Jungsteinzeit stammt. In der Ausgrabungsstelle werden seit zwei Jahren die Reste einer Siedlung aus dem 6. Jahrhundert vor Christus freigelegt. Im März 2018 fanden die Archäologen dort Skelettteile eines Kindes und den Schädel eines Erwachsenen aus der Jungsteinzeit. Im Dezember 2017 fanden Archäologen in Mössingen ebenfalls ein Skelett aus dieser Zeit.

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Erstellt:
18.09.2019, 19:48 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 20sec
zuletzt aktualisiert: 18.09.2019, 19:48 Uhr

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