Nanouk

Nanouk

Bildgewaltiges Drama um einen Rentier-Hirten in der Eiswüste von Jakutien. Zugleich eine Geschichte über Liebe und eine gefährdete Kultur.

16.10.2018

Von Madeleine Wegner

Nanouk
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Schon der Name dieses Films verweist auf einen frühen Dokumentarfilm. „Nanook of the North“ stammt aus dem Jahr 1922 und begleitet eine Inuit-Familie in der kanadischen Arktis. Diesem dokumentarischen Meilenstein der Stummfilmära stellt der bulgarische Regisseur Milko Lazarov mit „Nanouk“ einen aktuellen Spielfilm gegenüber. Und erzählt die Geschichte einer Familie in der Gegenwart und an einem anderen Ort, in Jakutien. Die Protagonisten sind alt, die Kinder fort. Auch hier und jetzt ist das Leben in der Eiswüste beschwerlich: Die Natur verändert sich, die Jagd ist immer seltener erfolgreich und die beiden Alten auf sich alleingestellt. Der Film verweist in leisen Untertönen auf diese Probleme, ohne je plakativ zu werden.

Im Mittelpunkt steht der Alltag des Paares, wobei die genaue Beobachtung dokumentarisch wirkt: Nanouk schlägt zum Fischen ein Loch ins Eis, Sedna kocht eine Suppe, gemeinsam bauen sie eine Falle. Damit zeigt sich, wie zerbrechlich diese Form des (Über-) Lebens ist. Mit den beiden jakutischen Darstellern Feodosia Ivanova und Mikhail Aprosimov hätten die beiden Rollen kaum besser besetzt sein können. Auch, weil sie für einen ausgesprochen charmanten Humor sorgen. Die Kargheit der sibirischen Eiswüste Jakutiens kommt bildgewaltig in grandiosen Aufnahmen daher, in denen Himmel und Erde verschmelzen. Mythen und symbolische Anspielungen scheinen in diese durchkomponierten Bilder eingewoben zu sein.

Analog zur unwirtlichen Umgebung ist die erzählte Geschichte schlicht, die Dialoge sind wortkarg – der Film lässt so viel weg, dass er an das Wesentliche rührt. Eines der schönsten Bilder taucht in der Szene auf, in der Sedna und Nanouk in ihrer Jurte aus Rentierfellen gemeinsam ein Fischernetz reparieren: jeder auf einer Seite, ebenso getrennt wie verbunden durch das Netz. Schade, dass die dem eigentlichen Film vorangestellte starke Szene, in der eine Frau in festlicher traditioneller Kleidung Maultrommel spielt, später nicht wieder aufgegriffen wird. Dafür gibt es ein unbegreiflicherweise mit kitschiger Filmmusik überladenes Ende.

„Nanouk“ schafft es wie nur wenige andere Filme, den Zuschauer in eine andere Wirklichkeit mitzunehmen – wie in einen schneeweißen Traum.

Einer der schönsten Filme dieses Jahres: atemberaubende Aufnahmen, die auf Mythen und (Symbol-)Bilder verweisen.

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Erstellt:
16.10.2018, 17:24 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 06sec
zuletzt aktualisiert: 16.10.2018, 17:24 Uhr

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