Altpapiersammlung: Die Bündelfront bröckelt

Schon vor Einführung der kommunalen Tonne steigen Vereine im Kreis aus der Altpapiersammlung aus

Rund 70 000 Haushalte im Landkreis bekommen demnächst Post von der Abfallwirtschaftsabteilung im Landratsamt. „Wir schreiben alle an, die von uns eine Restmülltonne haben“, sagt die Abteilungsleiterin Sybille Kiefer. Denn von 2018 wird es im Landkreis Tübingen eine kommunale Tonne für Altpapier geben. Bis Ende Februar müssen sich die privaten Müllgebührenzahler entscheiden, ob sie die Tonne haben wollen.

12.01.2017

Von Uschi Hahn

Künftig heißt es beim Altpapier an immer mehr Orten: Ab in die Tonne. Bild: Metz

Künftig heißt es beim Altpapier an immer mehr Orten: Ab in die Tonne. Bild: Metz

Nur mit Bauchweh und nach einem Gerichtsentscheid hatte sich der Kreistag für die Tonne entschieden. Bisher sammeln Vereine das Altpapier ein. Gut 160 Ehrenamtsorganisationen bessern in den insgesamt 58 Städten, Gemeinden und Teilorten im Landkreis Tübingen so ihren Etat auf. Nach dem Willen des Kreistages könnte das auch so bleiben. Wer den Vereinen etwas Gutes tun will, soll sein Altpapier auch weiter bündeln und an den Straßenrand stellen können.

Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass vielen Kreisbewohnern gar nichts anderes übrig bleiben wird, als Zeitungen, Kartonagen, Papierschnipsel und Briefumschläge künftig in die Tonne zu werfen. Denn immer mehr Vereine haben schon oder wollen künftig auf die Sammlung verzichtet. Das hat eine Befragung seitens der Amtes ergeben.

„Die Namen der Gemeinden geben wir noch nicht raus“, wehrt Kiefer ab. Erst wolle man die Briefe verschicken und dann ein Infotelefon einrichten. Aber die Gründe für das Bröckeln der Vereinsfront kennt sie. „Die haben Schwierigkeiten Leute zu kriegen, sagt Kiefer und berichtet von einem Vorsitzenden, der ihr gestand, er habe jedes Mal vor dem Sammeltermin schlaflose Nächte.

Dazu kommt jetzt die Unsicherheit, wer sich die kommunale Tonne vors Haus stellen wird. Zu viele, glaubt man beim TGV Entringen. „Die Leute sind bequem“, sagt Trudi Claas. „Es ist eben einfach, das Papier in die Tonne zu werfen.“ Nicht nur der TGV sammelt in diesem Jahr zum letzten Mal. Auch der Jugendclub und das Evangelische Jugendwerk haben sich in Ammerbuchs größtem Teilort fürs Aufhören entschieden. „Es bleibt einfach zu wenig hängen“, so Claas.

So sieht das auch Rudolf Baur vom Liederkranz Poltringen. „Die Kosten bekamen wir gerade rein“, sagt der Vorsitzende. Zehnmal im Jahr kurvten die Leute vom Liederkranz bisher mit Traktor samt Anhänger durch den benachbarten Ammerbucher Teilort Reusten, um die Altpapierbündel aufzuladen. Gestern war zum ersten Mal der kommerzielle Entsorger unterwegs. Für einen Container sei die Menge zu viel gewesen. Der zweite Container „war nur halb voll“, sagt Baur. Zahlen musste der Verein aber für beide.

Geld und Gemeinschaft

Früher besserte in Reusten noch der TGV seine Vereinskasse mit dem Erlös aus dem Altpapierverkauf auf. Und pflegte beim Sammeln die Gemeinschaft. „Alte und Junge, Männer und Frauen zusammen mit Schlepper und Wagen. Und danach gab’s Vesper für alle“, schwärmt Martin Gesk. Doch der TGV hat das Geschäft schon 2014 sausen lassen, als im Landkreis ein kommerzieller Entsorger seine blauen Tonnen verteilte und es daraufhin im Kreistag die ersten Diskussionen um eine kommunale Tonne gab. „Wir haben nicht eingesehen, dass wir die Lückenbüßer spielen“, begründet Gesk den Ausstieg. Über die Konsequenzen sagt er: „Wir müssen jetzt halt beim Handballturnier und den Festen ein bisschen mehr Geld verdienen.“

„Das steht und fällt mit den Leuten, die man braucht“, begründet Sabine Kappeler, weshalb sich der Pfäffinger Sportverein ASV schon vor Jahren aus dem Geschäft zurückzog. Doch es lag auch am Erlös. „Wir haben irgendwann gesagt: Das rechnet sich nicht mehr“, so Kappeler. Zumal der Verein keine Lastwagen mehr zur Verfügung hatte. Als dann bei einer Sammlung auch noch der voll beladene Traktor samt Anhänger umkippte, war in Pfäffingen Schluss mit der Samstags-Sammelei. Seither kommt im Landkreis-Auftrag der Entsorger.

Auch im Kusterdinger Teilort Wankheim steht schon seit zwei Jahren samstags kein Altpapier mehr an der Straße. „Schlussendlich ging uns die Manpower aus“, begründet Daniel Bahnmüller vom Musikverein den Ausstieg.

In den anderen vier Kusterdinger Ortsteilen sammeln die Vereine noch – zumindest in diesem Jahr. Ab 2018 müssen aber zumindest die Mähringer und Jettenburger mit der Tonne vorlieb nehmen, so Peter Katzmaier vom Kusterdinger Hauptamt. Im Hauptort selbst wollen die Vereine zumindest sechs Sammeltermine im Jahr abdecken. In Immenhausen übernimmt die Firma Renz schon jetzt manchen Termin, weil die Vereine und die Feuerwehr passen. Es sei einfach „ein Problem, an zehn zusätzlichen Terminen die Leute und Fahrzeuge zusammenzukriegen“, weiß Katzmaier aus den Gesprächen mit Vereinsvertretern.

In Kirchentellinsfurt müssen sich der Musikverein, der TBK und die Feuerwehr, die dieses Jahr noch sammeln, erst noch entscheiden wie es ab 2018 weiter geht, wie Hauptamtsleiter Daniel Neudorfer berichtet.

Offen ist auch, wie es in Dettenhausen ab 2018 weiter geht. Bürgermeister Thomas Engesser ist mit den fünf bisher sammelnden Vereinen „im Gespräch“. Aber er kann jetzt schon sagen: „Die Bündelsammlung in der bisherigen Form wird es in Dettenhausen so nicht mehr geben.“

Schon jetzt sieben Orte ohne Vereinssammlung

Die Vereinssamlung ist beim Altpapier schon jetzt in sieben Gemeinden und Ortsteilen im Landkreis passé. Im Auftrag des Landratsamtes holt die Firma Renz in Bodelshausen, Hirrlingen, Pfäffingen, Reusten, Wankheim, Baisingen und Eckenweiler zehn Mal im Jahr die Bündel ab.

Nach Einführung der kommunalen Altpapiertonne, also ab 2018, wollen sich in zwei weiteren Gemeinden die Vereine ganz zurückziehen. Dann wird es nach jetzigem Stand nur noch 23 Gemeinden beziehungsweise Ortsteile mit zehn Vereinssammlungen im Jahr geben. In 21 Gemeinden wollen die Ehrenamtlichen zwar weitermachen aber nicht mehr an zehn Terminen. Zu fünf Städten, Gemeinden und Teilorten hat das Kreis-Abfallwirtschaftsamt bisher noch keine definitive Aussage der Vereine.

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Erstellt:
12.01.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 39sec
zuletzt aktualisiert: 12.01.2017, 01:00 Uhr

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Jochen Werner 12.01.201711:51 Uhr

Ich finde es sehr schade, dass in diesem Artikel die Ortschaften nicht erwähnt werden welche sich von der blauen Tonne nicht abschrecken lassen und weitermachen.
Wir Vereine aus Gomaringen machen weiter.
Hier ein Link zur Aktion.
http://www.schlosshexa-gomaringen.de/

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