Silvester

Schwarze Glücksbringer

Schornsteinfeger sind am heutigen Tag sehr gefragt. Wir haben daher Hubert Rasch und Dietmar Schwarz über ihren Beruf befragt.

31.12.2016

Von Dagmar Stepper

Dietmar Schwarz (links) und Hubert Rasch sind stolze Vertreter ihres Berufsstands. Rauchende Kamine, wie solche der Familie Gunkel in Rexingen, sind ihre Leidenschaft. Bilder: Kuball

Dietmar Schwarz (links) und Hubert Rasch sind stolze Vertreter ihres Berufsstands. Rauchende Kamine, wie solche der Familie Gunkel in Rexingen, sind ihre Leidenschaft. Bilder: Kuball

Wieso wird man eigentlich Schornsteinfeger? Dietmar Schwarz (56) aus Aach lacht. „Diese Frage habe ich mir nie gestellt. Das war von Anfang an klar. Mein Opa war Schornsteinfeger, mein Vater war es auch. Und ich lebe diesen Beruf weiter.“ Man glaubt es ihm aufs Wort. Schwarz und sein Kollege Hubert Rasch (57) aus Ihlingen stehen in der Wintersonne. Die beiden kennen sich schon lange. 40 Jahre und mehr arbeiten sie im selben Beruf. Sie tragen die schwarze Berufskleidung ihres Handwerks. Zur Feier des Tages haben sie sich einen Zylinder aufgesetzt. Der Kehrbesen baumelt um die Schulter. Gürtelschnalle und Knöpfe glänzen. Im Hintergrund raucht ein Kamin. Ein Motiv wie aus dem Bilderbuch. Und ein wenig wie aus vergangenen Zeiten.

Denn der Zylinder trägt ein Schornsteinfeger heute nur fürs Foto. Früher war er Schutz und Zierde zugleich. „Außerdem konnte man Eier darin verstauen“, erzählt Rasch. Denn früher haben die Schornsteinfeger auf dem Land öfters Eier geschenkt bekommen. Rasch und Schwarz sind beide auch in ländlichen Gegenden unterwegs. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Höfe verschwinden, genauso wie die Metzgereien, die früher wegen den Räucherkammern den Einsatz eines Schornsteinfegers erforderten. Doch langweilig wird es dem Berufsstand dennoch nicht. Es ist halt anders.

Laptop statt Stahlbürste

„Für die neuen Häuser brauchen wir fast nur noch Spielzeug“, sagt Rasch. Er deutet auf die kleinen Bürsten, die nur noch einen Durchmesser von sechs Zentimeter haben. Die werden bei Gasheizungen benötigt. Wieder andere gibt es für Öl- oder Pelletheizungen. Die Bürsten sind aus Kunststoff, keine Stahlbürsten, wie sie bei Holzöfen benutzt werden. Daher wird das Material immer mehr. Der Kofferraum ist voll davon. „Mein Lehrmeister hat mich vor 40 Jahren morgens um sieben Uhr irgendwo im Ort abgesetzt und um vier Uhr wieder abgeholt“, erzählt Rasch. Den Tag über klapperte er die Häuser ab. Heute hat jeder Schornsteinfeger ein Auto. Und er muss Termine machen, ansonsten würde er häufig vor verschlossenen Türen stehen. Denn tagsüber sind inzwischen viele Häuser verwaist.

Auch sonst hat sich viel verändert. „Ohne Laptop und Programme geht heute nichts mehr“, sagt Rasch. In seiner Lehrzeit kamen zum klassischen Schornsteinfegen die Messungen als neuer Aufgabenbereich hinzu. „Das machte den Beruf anspruchsvoller“, meint er. Kohlenmonoxid ist unsichtbar und geruchslos, aber schon in kleinen Mengen hochgiftig. Das Gas kann in Öfen und Heizungen entstehen. Der Schornsteinfeger misst auch den Abgasverlust einer Heizungsanlage. Sprich, der Teil der Energie, der ungenutzt durch den Schornstein geht. Schornsteinfeger haben auch hoheitliche Aufgaben. Dazu gehört die Feuerstättenschau. Schornsteinfeger überprüfen, ob ein Ofen, eine Heizung noch brandsicher ist – oder ob sie Mängel hat. Denn Letzteres kann zu Feuer und Bränden führen.

Weniger Stadtbrände

Stadtbrände im Mittelalter sind die Auslöser für das Schornsteinfeger-Handwerk. „Man vermutet, dass der Ursprung des Handwerks in Italien liegt“, sagt Schwarz. Als der alte Einraum im Mittelalter eine Zwischendecke erhielt, suchten die Menschen nach Lösungen, wie sie den lästigen und ungesunden Rauch ins Freie leiten konnten. Das war die Geburtsstunde des Schornsteins. Und somit auch des Berufsstands.

Doch wie nützlich sie auch sind, Schornsteine bergen auch Gefahren: Es kann sich Glanzruß bilden. Wenn dieser Ruß sich entzündet, kommt es zum Schornsteinbrand. Dabei entstehen Temperaturen von bis zu 1000 Grad Celsius. Was die Sache noch schwieriger macht: Ein Schornsteinbrand darf nicht mit Wasser gelöscht werden. Denn ansonsten kann der Kamin bersten oder gar explodieren und so einen Flächenbrand auslösen.

Im hohen Mittelalter erließen Landesherrn oder die städtische Obrigkeit daher die ersten Feuerordnungen. In manchen Städten wurde das regelmäßige Kehren des Schornsteins zur Pflicht. Die Feuergefahr wurde geringer und der Schornsteinfeger zu einem gern gesehenen Gast. Auch wenn er schwarz und rußig ist. Aber er sorgte für die Sicherheit der Menschen. „Daher ist er heute noch ein Glücksbringer“, erzählt Schwarz.

Zwischen 2500 und 2800 Kunden betreuen die beiden jeweils in ihrem Bezirk. Sie kommen in jedes Haus. Und im Laufe der Jahre lernt man sich immer besser kennen. In vielen Familien sehen sie, wie die Kinder größer werden. Man hält ein Schätzchen, trinkt hier und da einen Kaffee. „Schornsteinfeger könnten viel erzählen“, sagt Schwarz, „das tun wir aber nicht. Das gehört zur Schweigepflicht.“

Aber zu ein paar Anekdoten lassen sie sich dann doch hinreißen. In 40 Berufsjahren erlebt man so einiges. Schwarz erinnert sich an einen Tag mit seinem Lehrmeister in Freudenstadt. Lang ist es her. In einem Hotel kehrten sie mit der Stahlbürste den Kamin. Es gab dieses übliche kratzende Geräusch. Ein Hotelgast packte darauf die Koffer und reiste ab. „Hier gibt es Geister“, sagte die Dame und ließ sich nicht vom Gegenteil überzeugen. In einem anderen Haus wurde eine Katze so durch das Geräusch vom Jagdfieber gepackt, dass sie den Kamin hinaufkletterte und die ganze Tapete zerkratzte.

Stolz und Wehmut

Die beiden sind gern vor Ort bei den Kunden, aber es wird weniger. Denn immer mehr sitzen sie im Büro. Gesetzesauflagen, Statistiken, Messwerte, das muss alles dokumentiert werden. Hinzu kommt der Wegfall des Kehrmonopols. Seit vier Jahren haben Schornsteinfeger nicht mehr automatisch einen Bezirk, sondern sie müssen sich bewerben.

Dennoch haben beide noch keinen Tag ihre Berufswahl bereut. Bei ihnen schwingt noch der Stolz ihres jahrhundertealtes Berufsstands mit. Schwarz erzählt von seinem Vater, der einmal im Schloss Hohenzollern den Schornstein gereinigt hat. Das ging nicht mit einer Bürste, die man einfach in den Kamin steckte. Sondern sein Vater musste in den Kamin kriechen, sich mit Händen und Füßen hochangeln und mit einer kleinen Bürste den Ruß abkratzen. „Im Innern eines Kamins zu kehren, gehörte bei uns noch zur Gesellenprüfung“, erzählt Rasch. Ein wenig wehmütig werden sie in Anbetracht der modernen Zeiten. In Schwarz‘ Familie endet in ein paar Jahren auch die Tradition. Der Sohn hat sich für einen anderen Beruf entschieden.

Doch heute ist erst einmal Silvester. Da stehen die Schornsteinfeger hoch im Kurs. Millionenfach werden sie als Schokolade oder Figur verschenkt. Glücksbringer eben, das hoffentlich das ganze Jahr über hält.

Die Gürtelschnalle zeigt die Insignien der Schornsteinfeger.

Die Gürtelschnalle zeigt die Insignien der Schornsteinfeger.