Vulkane und Sehnsüchte

Seit Mittwoch läuft im Tübinger Kino Museum das 15. Frauenwelten-Filmfest

Das Filmfest der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes entführt vom morgigen Mittwoch an in vielfältige Frauenleben zwischen Guatemala, Pakistan und Polen. Den Auftakt macht die erstaunliche Banlieue- Geschichte "Die Schüler der Madame Anne" aus Paris.

17.11.2015

Von Dorothee Hermann

"Ixcanul" von Jayro Bustamante.

"Ixcanul" von Jayro Bustamante.

Das Frauenwelten-Filmfest zeigt Frauen, die es sonst nicht so leicht auf die Kinoleinwand schaffen - wie die philippinische Kinderprostituierte Lilet oder das Maya-Mädchen Maria. In den Kinos Museum (Tübingen) und Waldhorn (Rottenburg) laufen 35 Langfilme aus mehr als 30 Ländern - mit internationale Gästen. Der Festivaletat liegt bei 100000Euro.

Der Eröffnungsfilm "Die Schüler der Madame Anne" (Besprechung folgt) führt in das Pariser Arbeiterviertel Créteil, wo viele Migranten leben, sagte Festivalleiterin Irene Jung. Dort übernimmt die Lehrerin Anne Gueguen eine Klasse, in der kaum ein Schüler eine Perspektive für sich sieht. Als sie die Klasse für einen renommierten nationalen Wettbewerb über den Holocaust anmeldet, lässt das die Schüler ziemlich kalt. Erst allmählich lassen sie sich auf das Projekt ein.

Einer von ihnen war Ahmed Dramé. Er hat alles aufgeschrieben und das Drehbuch zum Film verfasst, in dem er auch selbst mitspielt. Als Festivalgast kommt der 22-Jährige zu den Vorstellungen in Rottenburg (Fr, 20Uhr) und Tübingen (Sa, 20.30 Uhr) sowie zu der Schulvorstellung (Fr, 11Uhr, Museum). "Die ganze Klasse hat sich ganz toll entwickelt", sagte Jung. "Es wäre wichtig, dass viele Lehrer den Film sehen." Nach dem Festival nimmt ihn das Tübinger Kino Arsenal ins Programm.

"Vessel" von Diana Whitten.

"Vessel" von Diana Whitten.

Das beeindruckende Debüt der pakistanischen Regisseurin Afia Nathaniel passt nicht nur zum aktuellen Terre-des-Femmes-Schwerpunkt "Stop Frühehen!" In dem Film "Dukhtar" (Tochter) erfährt eine Frau, dass ihr Mann die zehnjährige Tochter einem rivalisierenden Clanführer versprochen hat. Sie selbst war auf diese Weise verheiratet worden. Ihrer Tochter will sie ein solches Schicksal ersparen und flieht mit ihr in die pakistanischen Berge. Es folgt eine abenteuerliche Verfolgungsjagd, die auch als Roadmovie durch grandiose Gebirgslandschaften beeindruckt. Die Regisseurin brauchte zehn Jahre für die Realisierung, sagte Programm-Koordinatorin Kathrin Frenz. "Ein Film von einer Frau, mit zwei Hauptdarstellerinnen, war für Geldgeber nicht attraktiv."

Ein weiteres Highlight ist der Berlinale-Winner "Ixcanul" (Vulkan) aus Guatemala, in dem das Maya-Mädchen Maria einer arrangierten Ehe die unsichere Zukunft im vermeintlichen Paradies USA vorzieht.

Das erste Mal traf der niederländische Dokumentarfilmer und Festivalgast Jacco Groen die Kinderprostituierte Lilet in einerm psychiatrischen Krankenhaus in Manila - nach ihrem Selbstmordversuch. Die Interviews mit ihr bewegten ihn so, dass er einen Spielfilm nach ihrer Geschichte drehte: "Lilet Never Happened". Hauptdarstellerin Sandy Talag ist erst elf Jahre alt. Bei den Dreharbeiten wurde sie von einer Psychologin begleitet. Den Festivalbesuch in Tübingen verbot die Schule des Mädchens: Sie dürfe nicht schon wieder fehlen. "Sie dreht auch andere Filme", erläuterte Jung.

Um Essstörungen von Mädchen geht es im polnischen Film "Cialo" (Body). Regisseurin Malgorzata Szumowska wollte nicht gleich mit der Kamera auf den Körper ihrer Protagonistin Olga draufhalten, sondern konzentrierte sich zunächst auf deren Vater, einen Staatsanwalt, der die Tatorte von Morden begehen muss. Schließlich kommt noch eine unkonventionelle Therapeutin ins Spiel, die mit ihrer riesigen Dogge zusammenlebt.

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes fordert weltweit das Recht auf Bildung ein. "Welche Chancen auf Bildung haben Mädchen überhaupt, wenn sie durch prekäre ökonomische Verhältnisse oder durch Fundamentalisten am Schulbesuch gehindert werden?" fragt Filmfest-Koordinatorin Kathrin Frenz. Die Doku "Malala" von Davis Guggenheim porträtiert die gleichnamige pakistanische Bloggerin, die schon als Elfjährige öffentlich machte, wie die Taliban Mädchen den Schulbesuch verwehren. Wenige Jahre später wird sie durch ein Taliban-Attentat schwer verletzt. 2014 erhielt Malala Yousafzai den Friedensnobelpreis.