Umstrukturierung

Selbst kochen als nächster Schritt

Im S-Haus, ehemals Lobby-Restaurant, essen Bedürftige für wenig Geld. Noch wichtiger: Sie finden Gesellschaft. Die Einrichtung plant nun einige Neuerungen.

17.11.2016

Von Maik Wilke

Seit dem 1. April leitet Petra Wagner als einzige Festangestellte das Team von 30 Ehrenamtlichen im S-Haus.Bild: Haas

Seit dem 1. April leitet Petra Wagner als einzige Festangestellte das Team von 30 Ehrenamtlichen im S-Haus.Bild: Haas

Der Mann im blauen Pullover steht noch zwei Meter von der Theke entfernt, da ruft Farehdeh Salehey ihm bereits entgegen: „Eine große Cola, oder?“ Nicken und ein freundliches Lächeln reichen als Antwort. Man kennt sich eben im S-Haus, ehemals Lobby Restaurant. Seit sechs Jahren gibt die gebürtige Iranerin Salehey in der Rommelsbacher Straße Essen an Bedürftige sowie Solidaresser aus. „Wir haben viele Stammgäste, mit denen man immer wieder ins Gespräch kommt. So lernt man sich eben kennen.“

Bereits seit 15 Jahren gibt es das Lobby-Restaurant, vor kurzem wurde der Name zu S-Haus geändert. Das S steht nicht nur für Essen, sondern auch für das Soziale – den höflichen, freundlichen Umgang unter Gästen und Mitarbeitern, erklärt Elvira Laraia, Vorsitzende und Kundin des S-Hauses. Seit ihr Mann im Mai diesen Jahres verstorben ist, kommt sie täglich in die Rommelsbacher Straße. Sie begrüßt die Gäste, redet mit ihnen über Probleme oder tratscht einfach. „Für die Leute geht es um mehr als nur Essen. Viele sind alleine und suchen die Gesellschaft.“

Gegründet wurde das S-Haus 2001 auf Initiative des Kreisseniorenrats – als alltägliche Ergänzung zur Vesperkirche. Träger ist die Diakonie Reutlingen, bei der Miete wird das S-Haus von der Stadt unterstützt. Bedürftige und sozial Schwache bekommen von Montag bis Freitag eine günstige Mahlzeit – Cordon bleu mit Kartoffelsalat kosten gerade einmal 2,30 Euro. Solidaresser zahlen 5,20 Euro. „Wir brauchen die Solidaresser, damit wir den anderen das Essen so günstig anbieten können“, sagt Laraia. Doch derzeit kämen vermehrt Bedürftige, die etwa 70 Prozent der Kunden des S-Hauses ausmachen.

Einer von ihnen ist Manuel Walter (Name von der Redaktion geändert). Er komme jeden Tag zum Essen ins S-Haus – von ihm aus könnte das sogar auch am Wochenende geöffnet haben. „Wenn ich alleine für mich koche, ist das deutlich aufwendiger und es schmeckt trotzdem nicht so gut wie hier.“

Von 11.30 bis 13 Uhr wird das Essen ausgegeben. Der Arbeitstag für die ehrenamtlichen Mitarbeiter beginnt um 10 Uhr. Pro Tag gehen 25 bis 30 Mahlzeiten über die Theke, geliefert wird das Essen von einem Caterer. Zur Auswahl stehen immer ein Fleischhaltiges und ein vegetarisches Gericht. „Die Variante mit Fleisch wird aber klar bevorzugt“, sagt Salehey. Deshalb wurden 20 Cordon bleus bestellt und nur vier Portionen Käsespätzle.

Doch das S-Haus steht, nicht nur wegen des Namenwechsels, vor Veränderungen. Der große Wunsch: Ein oder zwei Mal in der Woche soll künftig selbst gekocht werden. „Dann könnten wir den Bedürftigen mehrere Portionen anbieten. Einfach bis alle satt sind“, sagt Laraia. Derzeit ist das S-Haus nur eine Ausgabeküche. Um das Angebot zu erweitern, möchte die Vorsitzende einen Antrag bei der Stadt stellen. Denn neben der Genehmigung fürs Kochen geht’s um Geld für einen Umbau.

Für die Umstrukturierung ist Petra Wagner zuständig. Die gelernte Hauswirtschaftlerin wurde zum 1. April eingestellt, um die etwa 30 Ehrenamtlichen Mitarbeiter im S-Haus-Team zu leiten. „Mich hat die Aufgabe gereizt, das S-Haus weiterzuentwickeln. Wenn wir selbst kochen, könnten wir mehr Einfluss aufs Essen nehmen. Also regional und saisonal kochen.“ Selbst kochen bedeutet jedoch auch höhere Standards und professionellere Arbeitsabläufe. „Genau dafür brauchen wir eine Fachfrau wie Wagner. Wir anderen sind alles ehrenamtliche Laien“, sagt Laraia und lacht.

Das herzliche Miteinander soll bei der Umstrukturierung erhalten bleiben und ausgebaut werden. Wagner könnte sich deshalb vorstellen, dass hinter der Theke Arbeitsplätze geschaffen werden, die Menschen zu Gute kommen, die es sonst schwierig haben, auf dem Ersten Arbeitsmarkt einen Job zu finden.

Finanziert wird Wagners Stelle von der Paul-Lechler-Stiftung. Nach drei Jahren wird beurteilt, wie sich das S-Haus, das auch für Veranstaltungen gemietet werden kann, wirklich verändert hat. „Es geht nicht um finanziellen Gewinn, sondern darum, dass sich die Menschen hier noch wohler fühlen“, sagt Laraia.

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Erstellt:
17.11.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 17.11.2016, 01:00 Uhr

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