Neckarabschwimmen bei eisigen Temperaturen

Selbstversuch: Wenn das Wasser den Anzug flutet

Eisschollen im Sonnenschein gab es gestern beim Neckarabschwimmen. Unsere Mitarbeiterin war dabei und stürzte sich im Selbstversuch in den diesmal ziemlich flachen Neckar.

07.01.2017

Von Andrea Bachmann

Erstens: Es war eine der schönsten und lustigsten Aktionen, die ich je erlebt habe. Zweitens: Ich werde nie, wirklich nie, vergessen, wie es sich anfühlt, durch Eisschollen zu schwimmen. Sehr dünne Eisschollen, aber immerhin Eisschollen.

Morgens um halb zehn auf dem Weg zum Feuerwehrhaus möchte ich am liebsten wieder umdrehen. Es ist so kalt! In dem Tauchanzug, den ich geliehen habe und in dem ich mich fühle wie ein Walfischweibchen wäre die Kälte gar kein Problem, versichert man mir. Ich bin skeptisch. Aber alle Feuerwehrleute, DLRG-Mitglieder und Mitschwimmer sprühen so sehr vor Unternehmungslust, dass ich mich anstecken lasse.

Der Startpunkt ist in diesem Jahr bei der Stocherkahnanlegestelle am Freibad. Da stehen wir ein bisschen herum, es gibt Glühwein und Rote Wurst, man hilft sich gegenseitig in die Kapuzen und macht Gruppenfotos. Die Sonne scheint, der Schnee glitzert. Ich bin wahnsinnig aufgeregt und fürchte mich vor dem Moment, in dem das eiskalte Neckarwasser meinen Neoprenanzug fluten wird. Wir schlittern die Uferböschung hinunter. Ich steige ins Wasser. Es ist viel weniger kalt als befürchtet. Ungefähr so wie die Ostsee an einem schönen Junitag. Für eine, die in Flensburg aufgewachsen ist, auf jeden Fall erträglich. Vor allem aber ist es so flach, dass wir bis zur Alleenbrücke laufen können. Aquajogging statt Neckarschwimmen. Das ist einer der schönsten Momente des Tages: Ich stehe mitten im Wasser. Im Januar! Alles glitzert weiß, der Himmel ist eisvogelblau und Tübingen im Winter einfach wunderschön! Was für ein Glück!

Plötzlich ist das Wasser so – dick! Da ist etwas im Fluss! Es dauert einen Moment, bis ich realisiere, dass das Eisstücke sind. Ich laufe tatsächlich zwischen dünnen Eisschollen! Es fühlt sich an wie ein Bild von Magritte. Surreal.

Hinter der Alleenbrücke wird der Neckar tief. Ich bin noch nie mit Flossen geschwommen und habe deshalb auch jetzt darauf verzichtet. Deshalb komme ich kaum voran. Damenhaftes Brustschwimmen (der einzige Schwimmstil, den ich beherrsche) ist in dem dicken Tauchanzug nicht möglich. Also versuche ich, mich auf dem Rücken treiben zu lassen und mit den Beinen zu paddeln. Dafür ist die Strömung aber nicht stark genug. Ich hänge mich also an ein Paddelbrett der DLRG, eine Art Karnevalskahn mit blinkenden Lichtern, und lasse mich ziehen. Es ist zu viel Eis auf dem Fluss. Wir sind so langsam und es ist so anstrengend, dass ich einen richtigen Durchhänger bekomme. Der kritische Moment währt nur kurz. Dann scheint wieder die Sonne, das Eis um mich herum schimmert unwirklich und ich bin wieder glücklich. Stocherkahn im Juli kann schließlich jeder!

Dass es lustig werden würde, habe ich gehofft. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass es so schön sein würde. So märchenhaft.

Kurz vor der Neckarbrücke ist der Ausstieg. Der Neoprenanzug scheint plötzlich mehrere Tonnen zu wiegen, drei Mann müssen mir auf die Uferböschung helfen. Außerdem ist es jetzt eiskalt! Jemand wärmt meine Hände zwischen seinen, im Uhlandbad gibt es eine heiße Dusche. Nichts geht über ein Paar frische warme Socken!

Märchenhaft schön: Das Neckarabschwimmen der Feuerwehren. Bilder: Metz

Märchenhaft schön: Das Neckarabschwimmen der Feuerwehren. Bilder: Metz

Reporterin Andrea Bachmann

Reporterin Andrea Bachmann

Das Neckarabschwimmen gibt es seit 1973

Das Neckarabschwimmen wird von der Tübinger Feuerwehr seit 1973 als interne Übung veranstaltet, um sich auf Einsätze bei Eiseskälte vorzubereiten. 1985 beschloss man, daraus ein sportliches Winterfest zu machen, zu der Wehren aus anderen Städten geladen wurden. Auch die DLRG ist mit von der Partie. Man trifft sich morgens im Feuerwehrhaus zum Kaffee, ein Bus bringt die Schwimmerinnen und Schwimmer ins Uhlandbad zum Umziehen. In diesem Jahr trauten sich 117 Unerschrockene in den seit Jahren zum ersten Mal wieder leicht vereisten Fluss. Weil die Strömung schwach und der Wasserstand niedrig war, wurde die traditionelle Strecke zwischen Campingplatz und Neckarbrücke um etwa 500 Meter verkürzt. Nach dem Abschwimmen trifft man sich zu Linsen und Spätzle im Feuerwehrhaus.