Die Polit- und Beziehungsachtziger im Spiegel einer Skihüttenfreizeit.

Sie haben Knut

Die Polit- und Beziehungsachtziger im Spiegel einer Skihüttenfreizeit.

24.11.2015

Von che

Sie haben Knut

Der Film des Ex-Reutlingers Stefan Krohmer war einer der höchst gelobten Filme bei der Berlinale 2003. Wenn der bissige Streifen in die Kinos kommen wird, könnte er in Tübinger hohe Wellen schlagen. Schließlich knöpft er sich ein Milieu vor, das in der Unistadt einst prächtig gedieh und in Restbeständen noch immer lebhaft exisitiert: die linke Politszene der siebziger und frühen achtziger Jahre. Deren eigentümliche Kommunikations-Rituale nimmt Krohmer am hermetischen Schauplatz einer Skihütte in den Tiroler Alpen aufs Korn.

Dort haben sich 1983 eine Gruppe Politaktivisten, ein paar mehr sportlich engagierte Spaßfraktionäre und ? ganz zufällig ? ein Beziehungs-gestresstes Pärchen zu einem Kurzurlaub versammelt. Als das Gerücht „Sie haben Knut? die Runde macht (sie sind „die Bullen?, Knut ist der überfällige linksradikale Hüttenbesitzer), entfacht das einen sehr unterhaltsamen gruppendynamischen Mix aus wichtigtuerischem Aktionismus, Phrasendrescherei, neuen Liebschaften und krampfigen Ablösungsprozessen.

Nicht die Story, aber die Stimmung des Films beruht zum Teil auf Erfahrungen, die Krohmer (Jahrgang 1971) als Teenager in Reutlingen und Umgebung gemacht hat. Von seiner friedensbewegten Mutter wurde er oft auf Demos, speziell gegen Atomraketen in Engstingen, gezerrt. Er selbst war damals allerdings „eher fußballerisch interessiert.? Nach dem Abitur studierte Krohmer zunächst „verschiedene Sachen? und ging dann an die Ludwigsburger Filmakademie. Sein erster größerer Film, die ARD-Produktion „Ende der Saison?, bekam im Vorjahr einen Grimme-Preis in Gold.

Vielleicht lag es daran, dass Krohmer den eine Million Euro teuren Kino-Film in völliger Freiheit realisieren konnte. Bewusst verzichtete er auf bekannte Stars, die sich auf dem Plakat gut gemacht hätten, der Balance des Films aber schlecht bekommen wären. Schließlich ist „Sie haben Knut? kein sich ans aktuelle Revival schmeißender Achtziger-Klamauk, sondern eine behutsam inszenierte Tragikomödie, die ein respektvoll differenziertes Bild dieser Epoche, ihren gutmütigen ebenso wie ihren bizarren Seiten, zeichnet.

Einige Berlinale-Zuschauer, erzählt Krohmer, haben sich dennoch angegriffen gefühlt oder den Film als zynisch empfunden. Der Regisseur kann das nicht nachvollziehen. Eine Bloßstellung der Linksalternativen habe ihm fern gelegen, da seien doch auch ganz nette Kerle dabei gewesen. Allerdings: „Diese Betroffenheits-fanatischen Labersäcke zu denunzieren ? damit habe ich kein Problem.?