Leises Familiendrama: Zwei Schwestern proben nach 15 Jahren der erzwungenen Trennung den Neuanfang ihrer Beziehung.

So viele Jahre liebe ich dich

Leises Familiendrama: Zwei Schwestern proben nach 15 Jahren der erzwungenen Trennung den Neuanfang ihrer Beziehung.

23.11.2015

Von Dorothee Hermann

14.09.2015 So viele Jahre liebe ich dich
© null 02:10 min

Man könnte sich von der ersten Einstellung an verlieren in ihrem Gesicht. So rätselhaft, umgeben (oder beschützt) von einer eigenartigen Distanz gibt die großartige Kristin Scott Thomas die vereinsamte Juliette, die in einem verwaisten Flughafenrestaurant auf ihre jüngere Schwester Léa (Elsa Zylberstein) wartet. Seit 15 Jahren haben sie sich nicht gesehen.

Was dazwischen liegt, entzieht sich den alltäglichen Gesprächen, kommt erst allmählich zutage. „Tante Juliette ist komisch. Sie sagt fast nie was.? So beschreibt ihre kleine Nichte den Eindruck, den Juliette auf Außenstehende macht. Wie man es liebt am französischen Film, werden die Figuren charakterisiert durch kleine Szenen im Café, im Schwimmbad, auf einem kleinen Platz in Nancy, im Haus von Léa mit den Kindern und dem seit einem Schlaganfall verstummten Großvater.

Das ist so herausragend fotografiert, dass sogar die Dinge Teil der psychischen Realität Juliettes zu sein scheinen, seltsam changierend zwischen Insichgefangensein, Trauer und Souveränität. Es ist nicht sicher, ob Léas Geduld der Schwester helfen wird, aus der Isolation zurückzufinden. Lange bleibt es fraglich, ob die Situation nicht kippt ? wie beim Abendessen mit Freunden am Wochenende in dem kleinen Schloss auf dem Lande.

Leider löst Regisseur und Bestseller-Autor Philippe Claudel die Schuld Juliettes am Ende auf in billige Emotionalisierung.

So viele Jahre liebe ich dich

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Erstellt:
23.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 39sec
zuletzt aktualisiert: 23.11.2015, 12:00 Uhr

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Gertrude 05.12.200812:00 Uhr

Ein stiller Film, der lange nachwirkt. Kristin Scott Thomas spielt diese Frauenfigur, die ein besonders schweres Schicksal hatte, mit großer Authentizität. Billige Emotionalisierung am Schluss entsteht nicht, eher die Frage, ob die Protagonisten überhaupt Schuld auf sich geladen hat, oder, vielmehr gar nicht anders konnte, als so zu handeln. 15 Jahre im Gefängnis hat sie ein reduziertes Leben geführt und nähert sich langsam der wiedergefundenen Lebensfülle. Das tut gut, sie dabei zu beobachten.