Leises Familiendrama: Zwei Schwestern proben nach 15 Jahren der erzwungenen Trennung den Neuanfang ihrer Beziehung.

So viele Jahre liebe ich dich

Leises Familiendrama: Zwei Schwestern proben nach 15 Jahren der erzwungenen Trennung den Neuanfang ihrer Beziehung.

23.11.2015

Von Dorothee Hermann

Man könnte sich von der ersten Einstellung an verlieren in ihrem Gesicht. So rätselhaft, umgeben (oder beschützt) von einer eigenartigen Distanz gibt die großartige Kristin Scott Thomas die vereinsamte Juliette, die in einem verwaisten Flughafenrestaurant auf ihre jüngere Schwester Léa (Elsa Zylberstein) wartet. Seit 15 Jahren haben sie sich nicht gesehen.

Was dazwischen liegt, entzieht sich den alltäglichen Gesprächen, kommt erst allmählich zutage. „Tante Juliette ist komisch. Sie sagt fast nie was.? So beschreibt ihre kleine Nichte den Eindruck, den Juliette auf Außenstehende macht. Wie man es liebt am französischen Film, werden die Figuren charakterisiert durch kleine Szenen im Café, im Schwimmbad, auf einem kleinen Platz in Nancy, im Haus von Léa mit den Kindern und dem seit einem Schlaganfall verstummten Großvater.

Das ist so herausragend fotografiert, dass sogar die Dinge Teil der psychischen Realität Juliettes zu sein scheinen, seltsam changierend zwischen Insichgefangensein, Trauer und Souveränität. Es ist nicht sicher, ob Léas Geduld der Schwester helfen wird, aus der Isolation zurückzufinden. Lange bleibt es fraglich, ob die Situation nicht kippt ? wie beim Abendessen mit Freunden am Wochenende in dem kleinen Schloss auf dem Lande.

Leider löst Regisseur und Bestseller-Autor Philippe Claudel die Schuld Juliettes am Ende auf in billige Emotionalisierung.

So viele Jahre liebe ich dich