Horb · Bildung

Spielen und Pauken mit Abstand

Seit gestern werden wieder mehr Kinder in den Kitas betreut. Und die Viertklässler haben wieder Unterricht – zumindest ein bisschen.

19.05.2020

Von Mathias Huckert und Philipp Koebnik

Abstand halten: Klassenraum der Grundschule Bildechingen in Zeiten der Corona-Krise. Bilder: Mathias Huckert

Abstand halten: Klassenraum der Grundschule Bildechingen in Zeiten der Corona-Krise. Bilder: Mathias Huckert

Die zwölf Tische und Stühle im Saal der Viertklässler stehen weiter voneinander weg als sonst. Was nach einer Prüfungssituation aussieht, ist der Versuch, langsam wieder in die Normalität zurückzukehren. „Total glücklich“ seien die Kinder gewesen, als sie nach fast zwei Monaten Homeschooling endlich wieder die Schulbank drücken durften, sagt Bildechingens Schulleiterin Elisabeth Bleck.

Das dürfte vielen Grundschülern so gehen. Der Unterricht ist anders als vor der Corona-Pandemie: Klassenlehrerin Silke Danksagmüller hält in Bildechingen Frontalunterricht, damit die Kinder an ihren Plätzen bleiben. Anstrengend sei das – für sie, aber auch für die Kinder. Am Morgen gibt es ein zehnminütiges Zeitfenster, in dem die Schüler ankommen. Bis die Lehrerin ihnen ein Zeichen gibt, lassen die Kinder die Masken auf.

Die müssen sie auch auf dem Pausenhof tragen. Dort ist es auch immer mal wieder nötig, den Kindern die Abstandsregel ins Gedächtnis zu rufen, erklärt die Schulleiterin: „Da muss man voll und ganz präsent sein.“ Bereits vergangene Woche hat die Schule die Rückkehr der Viertklässler vorbereitet: Hinweisschilder hängen an den Wänden, Abstandslinien finden sich am Boden. Und vor der Toilette wartet die „Klo-Ampel“: Weil immer nur ein Kind die Toilette betreten darf, hat sich die Schulleitung die Ampel ausgedacht. Mit dem Fuß stellen die Kinder sie beim Betreten des WC auf Rot.

Eingeschränkte Maskenpflicht

Die Regeln für den Toilettengang legen die Grundschulen eigenständig fest, wie der geschäftsführende Schulleiter Götz Peter auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE mitteilt. Wo die Toiletten groß sind, dürfen zwei Schüler gleichzeitig rein – eine Aufsicht kontrolliert. An manchen Schulen gibt es grün-rote Hinweisschilder, die anzeigen, ob die Toilette betreten werden darf. Woanders gibt es die „Hütchenregelung“: Sofern jeweils nur ein Schüler aufs WC darf, nimmt er einen Hut mit, der sonst draußen vor der Toilette liegt. Vielerorts müssen die Schüler, anders als früher, nicht mehr fragen, ob sie aufs Klo gehen dürfen. Das soll die Benutzung der Toiletten zeitlich entzerren, sodass die Schüler in den Pausen nicht Schlange stehen. Gevespert werde in den Klassenräumen. Auf den Fluren und auf dem Pausenhof gilt eine Maskenpflicht. Darauf hätten sich die Horber Grundschulen geeinigt, sagt Peter.

Erfreulich sei, dass die Viertklässler nun bis zu den Pfingstferien durchgängig unterrichtet werden. Danach wird es ein rollierendes System geben. Aktuell werden die Schüler laut Peter mindestens zwei Stunden und maximal drei Stunden pro Tag unterrichtet, also zehn bis 15 Stunden pro Woche. Vorrang haben dabei die Fächer Deutsch, Mathe und Sachunterricht.

Um die Abstandsregeln während des Unterrichts einzuhalten werden die Klassengrößen halbiert, die Tische weiter auseinander gestellt und die Schüler auf mehr Räume verteilt. Obwohl nicht alle Lehrer arbeiten können, weil manche einer Risikogruppe angehören, funktioniere das „ganz gut“, da vorerst nur die Viertklässler unterrichtet werden, so Peter. Allerdings hänge dies auch von der Größe der Schule ab: Je kleiner sie ist, desto schwieriger wird es, die Vorgaben umzusetzen. Mancherorts sei das „Polster“ an Lehrern, die zur Verfügung stehen, „dünn“.

Auch für die ganz Kleinen normalisiert sich der Alltag allmählich. Schon seit längerem war klar, dass die Kitas diese Woche ihr Betreuungsangebot erweitern. Wie genau das funktionieren soll, welche Kinder teilnahmeberechtigt sind, das blieb bis zuletzt unklar und sorgte für Unmut bei Eltern und den Verantwortlichen in den Kommunen. Auch bei der Stadtverwaltung Horb zeigte man sich verärgert über das schleppende Prozedere (wir berichteten).

Am Samstag kam die ersehnte Verordnung der Landesregierung. Stadtsprecherin Inge Weber teilt dazu auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE mit: „Klarheit gibt es nun insoweit, dass von einem ‚Regelbetrieb‘ oder ‚annäherndem Regelbetrieb‘ in Kindergärten nicht die Rede sein kann. Kindergärten bleiben nach der Verordnung im Regelbetrieb zunächst bis zum Ablauf des 15. Juni 2020 geschlossen.“

Zehn Prozent der Kinder betreut

Zulässig sei weiter nur eine Notbetreuung und die Betreuung von Kindern mit besonderem Förderbedarf. Wenn darüber hinaus Kapazitäten in den Einrichtungen frei sind – diese dürfen höchstens zu 50 Prozent belegt sein – entscheidet die Leitung der Einrichtung, welche Kinder aufgenommen werden. „Dafür, dass sich die Landesregierung für die Verordnung so lange Zeit gelassen hat, enthält sie wenig Konkretes“, moniert Weber.

Die Kitas müssen sich nun beeilen, die Verordnung umzusetzen. Bereits gestern wurde laut Weber damit begonnen, Kontakt mit den Eltern aufzunehmen, um abzufragen, wer von einem erweiterten Betreuungsangebot Gebrauch machen will. Außerdem habe es erste Gespräche zwischen der Stadt und den freien Kita-Trägern gegeben. Für den heutigen Dienstag sei ein gemeinsamer Abstimmungstermin geplant. Wegen des Feiertags am Donnerstag geht die Stadtverwaltung davon aus, dass die erweiterte Betreuung am kommenden Montag, 25. Mai, starten kann.

Viele Erzieher fallen aus

Derzeit seien rund zehn Prozent der Kinder in der erweiterten Notbetreuung – Tendenz steigend, so Weber. „Ein Hochfahren der Betreuung auf 50 Prozent wäre nur dann möglich, wenn alle Erzieherinnen zur Verfügung stehen würden, da die Gruppengrößen ja halbiert werden müssen.“

Viele Erzieherinnen könnten jedoch gar nicht eingesetzt werden, weil sie selbst einer Risikogruppe angehören, weil sie etwa über 60 Jahre alt sind, Vorerkrankungen haben oder schwanger sind. Die gute Nachricht: Bis jetzt konnten Weber zufolge alle Kinder, die für die Notbetreuung angemeldet wurden, betreut werden. Kein Kind musste abgewiesen werden.

Und wie sieht es mit den Abstandsregeln aus? „Bei kleinen Kindern im Kindergartenalter ist das Einhalten von Abständen kaum vermittelbar“, wirbt die Stadtsprecherin um Verständnis. Dennoch könnten Erzieher das „auch spielerisch mit den Kindern üben“.

Die „Klo-Ampel“ der Grundschule in Bildechingen hilft beim Abstandhalten.

Die „Klo-Ampel“ der Grundschule in Bildechingen hilft beim Abstandhalten.