Aus für den Au-Brunnen?

Stadtwerke: Es geht auch ohne den Reservebrunnen – meistens jedenfalls

Ob wegen Chemie-Unfall, Terror-Anschlag oder Flugzeugabsturz: Sollte die Bodensee-Wasserversorgung (BWV) mal ausfallen, könnte Tübingen sich auch ohne den Reservebrunnen Au selbst mit Trinkwasser versorgen, so ein Gutachten im Auftrag der Stadtwerke. Das gilt allerdings nicht fürs ganze Jahr – es klafft eine Lücke von bis zu 20 Tagen mit hohem Verbrauch.

09.12.2015

Von Volker Rekittke

In diesem Häuschen im umzäunten Waldstück an der Eisenbahnstraße befindet sich die Trinkwasser-Pumpanlage des Reservebrunnens Au.Archivbild: Metz

In diesem Häuschen im umzäunten Waldstück an der Eisenbahnstraße befindet sich die Trinkwasser-Pumpanlage des Reservebrunnens Au.Archivbild: Metz

Tübingen. Sollte bei der Prüfung herauskommen, dass der Au-Brunnen selbst im schlimmsten Fall nicht gebraucht wird, sagte OB Boris Palmer vor einem Jahr, „dann werden wir dem Gemeinderat vorschlagen, diese Fläche zu entwickeln“ – und zwar zunächst die an Möck angrenzenden Äcker und damit weniger als die Hälfte des 12,2 Hektar großen Areals. In einem zweiten Schritt wäre dann das heute umzäunte Waldstück mit dem Au-Brunnen betroffen (siehe Bild).

Die Stadtwerke Tübingen (SWT) beauftragten die Stuttgarter RBS Wave GmbH mit der Untersuchung. Das Ergebnis liegt nun vor: Die Trinkwasserversorgung in Tübingen ist auch beim Ausfalls der Bodensee-Wasserversorgung sichergestellt. „Im Normalfall“ jedenfalls. Denn an den 10 bis 20 Tagen im Jahr mit maximalem Wasserbedarf (im Untersuchungs-Jahr 2013 waren es exakt 14 Spitzentage mit mehr als 16 000 Kubikmetern) bräuchte man das Pumpwerk Au im Fall der Fälle eben doch. Allerdings könnten auch die beiden Hauptbrunnen der Stadtwerke im Neckartal sowie bei Hirschau (Gehrnfeld) mehr Wasser liefern. Allerdings müssten die Brunnenpumpen verstärkt und das Tübinger Leitungsnetz für 750 000 bis eine Million Euro verbessert werden, damit das zusätzliche Wasser gefördert und dann zum Trinkwasserbehälter Sand transportiert werden kann.

Wilfried Kannenberg, Technischer Stadtwerke-Geschäftsführer, konnte gestern noch nicht sagen, ob all das tatsächlich gemacht werden sollte. Denn: „Das Risiko eines Ausfalls der Bodensee-Wasserversorgung ist sehr gering.“ Seit Inbetriebnahme der Leitungen 1958 floss das Wasser ohne Unterbrechung durch die Pipelines.

Am Ende entscheidet

das Landratsamt

Auslöser der Debatte um die Schließung des Au-Brunnens war Palmers „Gewerbeflächenstrategie 2020“ – die der Gemeinderat 2012 im Prinzip abgesegnet hatte, ohne jedoch bislang eine konkrete Entscheidung über neue Industrieflächen zu treffen. Für das Wasserschutzgebiet Au sprechen Größe und Zuschnitt des Areals, die gute Verkehrsanbindung und die günstige Lage. Die Au ist umgeben von Gewerbe und Straßen, Lärm und andere Emissionen sollten kein größeres Problem sein. Die Nachteile, neben dem Brunnen mit guter Wasserqualität: In einem im Technischen Rathaus erstellten „Steckbrief“ werden „große Bedenken“ geäußert – nicht zuletzt wegen „erheblicher Eingriffe in die Schutzgüter Pflanzen und Tiere, Boden, Wasser (Wasserschutzzone II und I) und Klima“.

Ob der Brunnen nun geschlossen werden soll oder nicht – aus dieser Diskussion wollen sich die Stadtwerke heraushalten. Das wird im kommenden Jahr der Tübinger Gemeinderat entscheiden müssen. Dann würden die Stadtwerke den Brunnen aufgeben und beim Landratsamt Tübingen beantragen, dass das Wasserschutzgebiet aufgehoben wird. Die Behörde wird das prüfen – und am Ende entscheiden.

Soviel immerhin sagt Kannenberg: „Ein Wasserversorger kommt nie auf die Idee, einen Brunnen aufzugeben – dafür muss es schon einen sehr wichtigen Grund geben.“ Eine Einflussnahme des SWT-Aufsichtsratsvorsitzenden Boris Palmer auf das Untersuchungsergebnis habe es nicht gegeben, so der Technische SWT-Geschäftsführer auf Nachfrage.

Bevor der Gemeinderat entscheidet, möchte Baubürgermeister Cord Soehlke „eine breite öffentliche Diskussion ermöglichen“, wie er gestern dem TAGBLATT sagte. Schließlich gehe es um eine Entscheidung, die die gesamte Stadt tangiere.

gsiehe das „Übrigens“

Im heißen Sommer 2003 stieg der Wasserverbrauch

Im vergangenen Jahr wurden im zentralen Trinkwasser-Behälter der Stadtwerke auf dem Sand Tübinger Eigenwasser (22 Prozent) mit Bodenseewasser (78 Prozent) gemischt.

Obwohl Tübingen wächst, sinkt die absolut verbrauchte Wassermenge seit bald 40 Jahren: von 6,5 Mio. Kubikmeter (m³) 1976 auf 4,8 Mio. m³ im vergangenen Jahr. Allerdings stieg der Verbrauch im Jahrhundertsommer 2003 wieder an – auf 5,3 Mio. Kubikmeter.

Grund ist der sinkende Pro-Kopf-Verbrauch (in Tübingen aktuell 125 Liter pro Einwohner und Tag) durch ein verändertes Bewusstsein der Bevölkerung und durch wassersparende Duschköpfe, Geschirrspül- oder Waschmaschinen.

Stadtwerke-Chef Wilfried

Kannenberg geht davon aus, dass so auch künftiges Einwohnerwachstum

kompensiert werden kann, der absolute Wasserverbrauch also nicht steigt.

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Erstellt:
09.12.2015, 07:48 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 09.12.2015, 07:48 Uhr

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