Karriere

Start-up-Mentalität in Israel live erlebt

Der junge Nordstetter Moritz Blank kehrte regelrecht „fasziniert“ von seinem Praxissemester zurück – und wird gewiss wieder nach Israel reisen.

27.03.2018

Von Gabriele Weber

In der Software-Branche unterwegs ist das Start-up-Unternehmen „Optibus“, das sich Moritz Blank, hier abgebildet mit seinem Betreuer Omer Goldschmidt, aus einer Auswahl von 50 Unternehmen ausgesucht hat. Privatbilder

In der Software-Branche unterwegs ist das Start-up-Unternehmen „Optibus“, das sich Moritz Blank, hier abgebildet mit seinem Betreuer Omer Goldschmidt, aus einer Auswahl von 50 Unternehmen ausgesucht hat. Privatbilder

Moritz Blank, 22 Jahre alt und Wirtschaftsinformatik-Student an der Hochschule Reutlingen, ist von seinem Auslands- und Praxissemester kürzlich
in Israel regelrecht „fasziniert“ von der dortigen Start-up-Kultur in die Heimat zurückgekehrt. Im Sprung ins digitale Zeitalter sieht der junge Nordstetter in Start-ups den Schlüssel zum Erfolg.

200 Jahre nach der derzeit gefeierten Raiffeisen-Erfindung erzählt Blank, freilich mit anderer Wortwahl, über die findige Ideenschmiede und die Gründungsgeschichte seiner Praktikumsfirma „Optibus“: vom Tüfteln, Cleverle, Kapitalgebern.

Letztere nennen sich heute „Venture-Capitalists“ (kurz: VC), die in der Innovationsvielfalt der Start-up-Cracks das durchschlagend zukunftsträchtige „Unicorn“ („Einhorn“) schürfen wollen: Den „Goldnugget“, mit dem in bedrängenden, sich überschlagenden Globalisierungszeiten Zukunft gestaltet, als auch das große Geld gemacht werden kann. Blank über Start-up-Mentalität: „Man konzentriert sich zunächst nicht darauf, dass die neue Geschäftsidee wirtschaftlich ist. Deshalb sucht man auch Risikokapitalgeber, die Zukunft und Potenzial in dieser Idee sehen – und entsprechend Geld flüssig machen.“

Blank hat seinen Studienort, die Hochschule Reutlingen, auch wegen ihrer Internationalität gewählt. Er ist mit einem Kommilitonen einer der ersten Reutlinger Studenten, die am neuen Austausch mit der Hochschule IDC (Interdisciplinary Center) in Herzliya (über deren „Connect“-Programm) teilnahmen. Die israelische Hochschule habe eine riesige Fakultät für solche Unternehmensgründungen, wo man Entrepreneurship, das Vorgehen von Unternehmensgründung, studieren könne. Und IDC habe staatliche
Förderprogramme zur Hand,
mit denen jungen Start-up-Teams auf die Beine geholfen werde; nur bei Erfolg müssten die Fördergelder zurückgezahlt werden.

Erfahrungen von Daimler bekannt

Ähnliche Förderungen kennt Blank beispielsweise von Daimler gemeinsam mit weiteren Firmen im Ländle. Junge Start-ups können sich dort über eine Innovationsplattform für eine „Start-up-Autobahn“ bewerben. Blank war im Sommersemester 2017 Daimler-Praktikant in der Entwicklungsabteilung für Fahrzeugdigitalisierung (Stichwort: Connect-Apps).

Primäre Themen in Blanks sieben Vorlesungskursen an der israelischen Hochschule waren dann selbstverständlich Geschäftsgründungen und die Entwicklung von Geschäftsmodellen. Nach der Vermittlung von „Basics“ sei viel experimentiert worden. „Man darf sich selbst ausprobieren. Wenn jemand etwas anders sieht, diskutiert die Gruppe“ – ähnlich wie in Reutlingen. Mit den Professoren sei man auf Du, und die Beziehung nahezu hierarchielos. Frontalunterricht sei hier passé.

Außerdem nutzte Blank im Rahmen des Kurses „Start-Up-Experience“ an IDC die Möglichkeit eines Praktikums von wöchentlich zwei Tagen beim erst zwei Jahre alten Start-up „Optibus“ im 15 Kilometer entfernten Tel Aviv. Das Unternehmen wählte er bei einer Veranstaltung aus, bei der sich 50 Start-ups vorrangig aus der Software-Branche präsentiert hätten: „Von einem zwei Monate alten Zwei-Mann-Start-up bis zu einem fünf Jahre alten mit 50 bis 100 Mitarbeitern.“

Vision von optimalen Nahverkehr

Optibus treibe die Vision von einem „optimalen Nahverkehr“ durch eine neue Planungssoftware für Busunternehmen an. Wie selbstverständlich war Blank bei Planungs- und Strategiegesprächen dabei, erzählt er begeistert. Auch hier gelte: „Man ist Teil der Firma. Es sind flache Hierarchien. Die Entscheidungen des Managements werden nicht einfach akzeptiert, sondern dienen eher zur Diskussion.“ Diese würden sich als „offen und sehr direkt“ gestalten.

Blanks Aufgabengebiet bei Optibus, die bisher auf dem israelischen und amerikanischen Markt agiere, war Marktanalyse und -strategie für den deutschen Markt. „Wohin sich die Firma entwickeln will.“ Angewandte Forschung also, die Nutzen bringen kann – ganz nach Sinn und Zweck der Forschung und Lehre an den Hochschulen.

Zeit machte „Lust aufs Gründen“

Blanks Fazit: „Die Zeit hier machte richtig Lust aufs Gründen.“ In einem Jahr will Moritz den Bachelor in der Tasche
haben. Gefühlt lange ist es
her seit dem Abitur am Technischen Gymnasium in Tübingen in 2015, nach dem Realschulabschluss in Horb.

Derweil bastelt Moritz im heimatlichen Nordstetten an der Idee, nach seinem Studium „vielleicht“ seine kleine, drei Jahre alte IT-Beratung („ist kein Start-up“) mit fünf bis zehn festen Kunden auszubauen. Kommt Zeit, kommt Rat. Jedenfalls auf der Agenda steht im Anschluss das Masterstudium. Das soll – wen wundert’s –„auf jeden Fall in Richtung Internationalisierung und Geschäftsentwicklung, neue Märkte und neue Geschäftsmodelle“ gehen.

Und was sagt „Generation Eltern“, in Persona Papa und IT-Betreuer in den Daimler-Fachbereichen, Werner Blank, zu der ganzen Geschichte: „Was Moritz erzählt, ist hochinteressant. Es sind junge Leute, die die Zukunft entwickeln.“

Vor Ölberg aus aufgenommen: Moritz Blank aus Selfie-Perspektive vor der Stadtsilhouette Jerusalems.

Vor Ölberg aus aufgenommen: Moritz Blank aus Selfie-Perspektive vor der Stadtsilhouette Jerusalems.

Ein paar Stichworte

Tel Aviv: Moritz Blank erzählt, in Tel Aviv komme auf 431 Einwohner ein Start-up. In Tel Aviv seien zwischen Oktober 2012 und November 2014 rund 400 neue Technologiefirmen gegründet worden; davon 38 Prozent im Bereich Kommunikation und
35 Prozent im Bereich Internet.

Land und Leute: Den heißen Draht zum „super schönen Land mit Gegensätzen“ und Leute verdankt Blank seinem Paten, einem Studenten der israelischen Hochschule. Man sei in einer großen gemischten Gruppe mit weiteren Studenten eingebunden. Blank feiert das jüdische Lichterfest Chanukka und freilich den Sabbat – mit der Erkenntnis, dass von Freitagabend bis Samstagabend keine Busse fahren und das öffentliche Leben komplett ruhe. Moritz Blank erzählt, er sei beeindruckt, wie gut das Zusammenleben von arabischer und jüdischer Kultur funktioniere, bei „links die Moschee, rechts die Synagoge“.

Jerusalem hatte für ihn eine stark „religiöses Flair“, derweil Tel Aviv sich viel offener erweise. Die deutsche Kolonie in Haifa bekam einen Besuch vom jungen Deutschen, darüber hinaus auch die Bars.

„Die Israelis sind allgemein sehr offen – alle helfen, ob sie Englisch sprechen oder nicht“,
so Moritz Blank auch in einem Beitrag, der der aktuellen Reutlinger Hochschulzeitschrift erschienen ist, in der über Blanks Exkursion zur so lebhaften israelischen Start-up-Kultur informiert wird. Jedenfalls, das steht fest, sieht Israel Moritz wieder. 1