Eutingen im Gäu

Strom gibt’s woanders

Fahrer von Elektroautos sollten vor einer Durchfahrt durchs Gäu den Akku voll aufladen: In der Gemeinde Eutingen gibt es bislang keine einzige Ladestation.

06.04.2019

Von Maik Wilke

Eine Ladestation für E-Autos wie auf dem Horber Parkplatz „Dammstraße“ gibt es im Gäu bisher nicht. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Eine Ladestation für E-Autos wie auf dem Horber Parkplatz „Dammstraße“ gibt es im Gäu bisher nicht. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Mehr als 10 000 Autos passieren Eutingen täglich über die Durchgangsstraße, der Bundesstraße 28. Wie viele davon mit Strom betrieben werden, lässt sich nur schwer einschätzen, genaue Zahlen wurden für diese Strecke noch nicht erhoben. Klar ist: Es wird ein Bruchteil sein. Doch dieser Bruchteil sollte sein Gefährt auf seiner Fahrt durchs Gäu am besten voll aufgeladen haben – sonst geht den Fahrern der Saft aus.

In der gesamten Gäu-Gemeinde mit den vier Ortsteilen gibt es nicht eine einzige Ladestation für Elektroautos. Auch die beiden Tankstellen entlang der Bundesstraße 28 haben keine. Bei diesem Thema sei man „bestimmt kein Vorreiter“ und habe Nachholbedarf, äußerte Bürgermeister Armin Jöchle bereits mehrfach. Das ist noch untertrieben, weniger als keine Ladestation geht ja nicht. Immerhin: Man stehe mit der zuständigen Netze BW in Kontakt, erklärt Wolfram Fischer, Leiter des Baumamts der Gemeinde Eutingen auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE. Man berate über zwei Stationen für E-Ladesäulen: eine vor dem Rathaus in Eutingen, also in der Marktstraße, sowie eine beim künftigen Bahnhaltepunkt Eutingen Nord, also unmittelbar an der Verbindungsstraße zwischen Eutingen und Göttelfingen. Allerdings, so betont Fischer, müssten noch weitere „fachliche Informationen“ eingeholt werden, eine Entscheidung, ob, wann und wie viele Säulen kommen, sei noch nicht getroffen. Auch darüber, wer die künftigen E-Tankstellen betreiben könnte, könne noch keine Auskunft gegeben werden.

Steigerung der Kaufkraft

Aber braucht eine Gemeinde in der Größe Eutingens überhaupt eine Ladestation für E-Autos? Für Jérôme Brunelle, Elektromobilitäts-Experte aus Horb, steht fest: „Jeder Ort braucht das.“ Zwar rentieren sich die Ladestationen finanziell am Anfang nicht, aber „das ist eine Investition in die Zukunft, die sich langfristig lohnt“. Jede Ladestation für Elektroautos nehme auch den Platz für Zapfsäulen von Benzin und Diesel weg.

Die möglichen Standorte in Eutingen seien zumindest gut gewählt, erklärt Brunelle: „Überall, wo Fahrer von Elektroautos Dinge erledigen müssen, sind Ladestationen für E-Autos gut gelegen.“ Man versuche immer, das Tanken gleichzeitig mit Erledigungen zu verbinden. Fährt man mit dem Zug beispielsweise für ein paar Stunden nach Stuttgart, ist das Auto bei der Rückkehr voll geladen.

Adler-Areal nur eine Überlegung

Auch der Parkplatz vor dem Rathaus ist daher gut gewählt, wenn Leute längere Aufenthalte auf dem Amt haben. „Bei einer 50 KW-Säule reicht auch schon ein kurzer Einkauf, um die Batterie aufzuladen“, sagt Brunelle. Wichtig ist der Grundgedanke: Ein Ort mit E-Tankstelle ist für E-Autofahrer schlicht attraktiver und bringt der Gemeinde damit Kaufkraft – selbst wenn es nur der kurze Stopp beim Bäcker ist; es kann aber auch der Großeinkauf im künftigen Edeka sein.

Ein Knotenpunkt im Ortsgeschehen Weitingens und ein zentraler Platz des zweitgrößten Ortsteils ist das Adler-Areal. Die Gemeinde hatte das 3500 Quadratmeter große Gebäude-Ensemble im Februar 2018 gekauft, mittlerweile ist ein Investoren-Wettbewerb ausgeschrieben (wir berichteten mehrfach). Die Möglichkeiten das Areal zu entwickeln, sind zahlreich – und sollen die denkmalgeschützten Bereiche mit moderner Nutzung verbinden. Was passe da besser, als eine Ladestation für E-Autos? „Die verlegten Elektroleitungen, die beim Bau der Markthalle installiert wurden, bringen die nötige Auslastungskapazitäten jedenfalls mit“, erklärt Fischer. Ein Antrag sei aber bei der Netze BW noch nicht eingereicht und wohl lediglich mittelfristig angedacht.

80 000 von 47 Millionen: Zahlen und Fakten zur E-Mobilität

Laut der Energie Baden-Württemberg (EnBW) sind bundesweit aktuell rund 44 211 rein elektrische Autos und 34 719 Plug-in-Hybride zugelassen, insgesamt also 78 930 Fahrzeuge mit Elektromotor. Weltweit produziert Deutschland 23 Prozent der E-Fahrzeuge, Marktführer ist China mit einem Anteil von 43 Prozent (Quelle: Stiftung Energie & Klimaschutz). E-Autofahrer können ihr Fahrzeug an bundesweit 4730 Ladesäulen „auftanken“. Beim Strom-Tanken aus erneuerbaren Energiequellen beträgt die CO2-Emission Gramm pro Kilometer, bei einer Betankung aus einem Energiemix 79 g/km. Im Vergleich: Für Benziner werden laut Stiftung Energie & Klimaschutz 140 Gramm pro Kilometer, für Dieselfahrzeuge sogar 180 g/km gerechnet. Eigentlich gute Werte, die aber in Relation gesetzt werden müssen. Im Vergleich zu den 47 Millionen Autos in Deutschland (Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt) sind knapp 80 000 E-Fahrzeuge nur ein Bruchteil. Kritiker der E-Mobilität sehen diese lediglich als Übergangslösung an. Die Autos seien zu teuer, die Herstellung der Batterien keineswegs umweltfreundlich und die Infrastruktur ist nicht nur jetzt, sondern werde auch künftig nicht ausreichend vorhanden sein, um für Autofahrer attraktiv zu sein.