Cinema Jenin: Ende eines Traums in der Westbank

Symbol für Hoffnung und Aufbau in Palästina: Heute wird das Cinema Jenin endgültig geschlossen

Sechs Jahre lang währte der Traum. Heute wird das Cinema Jenin, eines der bekanntesten von Deutschland geförderten Kulturprojekte im Norden Palästinas, endgültig geschlossen. Der Tübinger Filmemacher Marcus Vetter hatte das Kino im Zuge seiner Dreharbeiten zum Film „Das Herz von Jenin“ entdeckt.

30.11.2016

Von ULRIKE SCHLEICHER

Damals waren die Träume noch groß: Marcus Vetter bei der Eröffnung 2010. Archivbild: Johne

Damals waren die Träume noch groß: Marcus Vetter bei der Eröffnung 2010. Archivbild: Johne

Die palästinensischen Eigentümer haben sich entschlossen, das Gebäude samt Grundstück zu verkaufen. Das Haus im Zentrum der Stadt Jenin wird abgerissen, eine Shoppingmall errichtet. Alle Rettungsversuche seien fehlgeschlagen, sagt die Kino-Sprecherin Maisa Al-Aseer. Die Regierung in Ramallah habe kein Interesse.

2010 war das renovierte, sandfarbene Gebäude im Beisein von Weltstars wie Roger Waters und Vertretern des Auswärtigen Amtes eingeweiht worden. Das Kino galt als Symbol für einen Wiederneuanfang im Westjordanland nach der blutigen zweiten Intifada – dem Aufstand der Palästinenser gegen die Besatzungsmacht Israel. Es sollte den Palästinensern Anstoß sein, sich mit Hilfe von Kultur auf ihre Identität zurück zu besinnen. Und es sollte Wunden heilen.

Bei Dreharbeiten entdeckt

Mit rund einer halben Million Euro wurde das baufällige Kino, das seit 1958 existierte und lange Zeit geschlossen war, zu neuem Leben erweckt. Deutschland gab nicht nur den Löwenanteil des Geldes, es war auch ein Deutscher, der die Idee hatte, dort ein Kulturzentrum zu errichten: Der Tübinger Filmemacher Marcus Vetter hatte das Kino im Zuge seiner Dreharbeiten zum Film „Das Herz von Jenin“ entdeckt und war fortan getrieben von seiner Idee. Auch diesen Prozess begleitete Vetter filmisch mit dem Dokumentarfilm „Cinema Jenin“, der 2012 Premiere in Tübingen hatte.

Der Film endete mit der feierlichen Einweihung des Kinos und ließ die Zukunft freilich offen. Die gestaltete sich von Beginn an schwierig. Das Kino wurde von Teilen der Bevölkerung boykottiert, die Einmischung von Fremden nicht toleriert. Vor allem die teilweise Kooperation mit Israelis stieß vielen auf. Zwar ließen die Anfeindungen nach, aber die Programmgestaltung war schwierig. Nur selten standen kontroverse Filme und Veranstaltungen auf dem Programm. „Hinzu kam, dass die Leute, die das Kino umtrieben, allein gelassen wurden“, kritisiert eine Insiderin auch Vetter. Ein professionelles Management wäre nötig gewesen.

Der Niedergang kam scheibchenweise. Für die Löhne der Mitarbeiter wurden bereits vor drei Jahren Sponsoren gesucht. „Wir sind sehr traurig“, sagt Maisa Al-Asree. „Wir danken allen, die das Kino unterstützt haben und uns in den letzten Jahren ein bereicherndes kulturelles Leben geschenkt haben.“

Vetter war gestern nicht zu erreichen.