Notfalls auf die Straße

TVÖD-Verhandlungen am Scheideweg / Stimmung in den Betrieben ist schlecht

Mit dem Frühjahr haben auch die Tarif-Verhandlungen im Öffentlichen Dienst begonnen. Doch die Stimmung ist frostig. Vor allem, dass die Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgung beschneiden wollen, bringt die Beschäftigten in Rage.

07.04.2016

Von Uschi Kurz

„Ohne Zusatzversorgungskasse sehen wir alt aus“, das wird die Parole sein mit der die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst auf die Straße gehen werden, sollten sich die Arbeitgeber bei den Tarif-Verandlungen Anfang nächster Woche nicht bewegen. Gestern wurde dafür bei Verdi schon einmal kräftig geübt.Bild: Haas

„Ohne Zusatzversorgungskasse sehen wir alt aus“, das wird die Parole sein mit der die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst auf die Straße gehen werden, sollten sich die Arbeitgeber bei den Tarif-Verandlungen Anfang nächster Woche nicht bewegen. Gestern wurde dafür bei Verdi schon einmal kräftig geübt.Bild: Haas

Reutlingen/Tübingen. Verdi informierte gestern in einem Pressegespräch über die Forderungen der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und über die Stimmung in den Betrieben. Und die sei schlecht, betonte Bezirksgeschäftsführer Martin Gross. Sprudelnde Steuereinnahmen einerseits und Großverdiener, die sich aus dem Gemeinwohl schleichen und sich weigern, ihre gerechten Steuern zu zahlen. Andererseits das „Gejaule“ der Arbeitgeber angesichts der geforderten Tariferhöhung von sechs Prozent. „Das treibt die Leute um.“

Ein Schwerpunkt in dieser Tarifrunde liege auf der Ausbildung, betont Gewerkschaftssekretärin Özge Aygün, die für den Öffentlichen Dienst zuständig ist. Bei vielen Betrieben scheiden in den nächsten Jahren aufgrund des demografischen Wandels bis zu 40 Prozent der Belegschaft aus. Was fehle, seien die jungen qualifizierten Fachkräfte. Unattraktive Arbeitszeiten und geringe Löhne führten aber dazu, dass sich der Nachwuchs statt im Öffentlichen Dienst in der Privatwirtschaft einen Job suche.

Vor allem beim Thema befristete Verträge redet sich Gross gerne in Rage. „Die Befristung im Öffentlichen Dienst ist wesentlich höher als in der Privatwissenschaft“, betont er: „Da macht man die Zukunftschancen der jungen Leute kaputt.“

Eine Forderung in den Tarifverhandlungen lautet daher „die unbefristete Übernahme der Auszubildenden im erlernten Beruf“, eine weitere die „Inkraftsetzung einer neuen Entgeltordnung“ in der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Die schreibt die Tätigkeitsmerkmale eines Berufszweigs fest, stammt aus dem Jahr 1961 und reicht damit in Zeiten zurück, als es bestimmte Berufszweige – beispielsweise im IT-Bereich – noch gar nicht gab. Der größte Aufreger aber ist die Forderung der Arbeitgeber, die Zusatzversorgung der Beschäftigten im Alter zu kürzen. Die Zusatzversorgungskasse (ZVK), so Gross, sei ja gerade der „Köder“ gewesen mit der man im Öffentlichen Dienst Beschäftigte bekommen habe. Jetzt wollten die Arbeitgeber das bewährte System verändern und das ganze Risiko der Altersvorsorge auf die Arbeitnehmer abwälzen.

Wie schlecht die Stimmung im Pflegebereich ist, machte Silvia Bausinger deutlich, die als Fachkrankenschwester in der Zollern-Alb-Klinik arbeitet. „Mittlerweile haben wir sehr viel mehr Verantwortung und die Arbeit hat um das Dreifache zugenommen.“ Sie hatte bemerkenswerte Zahlen mitgebracht. In der Schweiz würden von einer Pflegekraft 5,5 Personen versorgt, in Polen 9,5 Personen und „wir versorgen 10,5 bis 14 Patienten“. Die Streikbereitschaft unter ihren Kolleginnen und Kollegen sei deshalb groß.

Ganz ähnlich ist die Einschätzung von Sozialarbeiter Albrecht Henes, der beim Landratsamt Reutlingen beschäftigt ist und gestern direkt von einer „aktiven Mittagspause“ in die Verdi-Geschäftsstelle kam. Auch Ulrich Bühler, Personalratsvorsitzenden der Kreissparkasse Tübingen erklärte, dass seine Kolleg/innen zu allem bereit seien. Vor allem die Leistungskürzungen bei der Altersversorgung, seien ein „absolutes No-Go“.

„Die Beschäftigten haben ganz einfach die Schnauze voll“, weiß Fabio Cani, der im Friedhofswesen, ebenfalls in Tübingen beschäftigt ist: „Wir sind völlig unterbesetzt und müssen immer mehr leisten.“ Auch bei den Stadtwerken Reutlingen, berichtete Ralf Brückner, der Stellvertretende Betriebsrat, sei die Empörung über die geplanten Einschnitte in der Zusatzversorgung groß. Viele Kollegen hätten gerade wegen der gesicherten Altersversorgung große Verdiensteinbußen in Kauf genommen und eine Stelle im Öffentlichen Dienst überhaupt angenommen. Die Stimmung sei klar: „Dafür gehen wir auf die Straße.“

Am Montag und Dienstag wird weiterverhandelt. Sollten die Arbeitgeber bei ihrer Position bleiben, so Groß, werde man nächste Woche in Reutlingen und Tübingen zu einem ganztägigen Streik aufrufen.

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Erstellt:
07.04.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 07.04.2016, 01:00 Uhr

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