Kunst

Tausche Hauptstadt gegen Horb

Mimosa Pale aus Finnland ist neu im Antonie-Leins-Künstlerhaus. Die vielseitige Künstlerin ist nicht alleine nach Horb gekommen.

23.06.2018

Von Mathias Huckert

Mimosa Pale ist vor wenigen Tagen mit Tochter Rauna in Horb angekommen. Noch baut die Finnin Hochbeete und bepflanzt das Horber Künstlerhaus, bald will sie aber auch bildhauerisch tätig sein.Bild: Huckert

Mimosa Pale ist vor wenigen Tagen mit Tochter Rauna in Horb angekommen. Noch baut die Finnin Hochbeete und bepflanzt das Horber Künstlerhaus, bald will sie aber auch bildhauerisch tätig sein.Bild: Huckert

Rauna spielt im Hof des Antonie-Leins-Künstlerhauses. Gerade hat die Vierjährige noch genüsslich ein paar Himbeeren vertilgt, jetzt hat der provisorische Springbrunnen in der Mitte des Hofs ihre volle Aufmerksamkeit. Ihre Mutter Mimosa bearbeitet ein paar Holzbretter mit der Stichsäge. Ein Hochbeet soll es werden. An dem Krach stört sich Rauna nicht. Sie erkundet lieber die Umgebung. Denn die ist besonders spannend für das kleine Mädchen mit den finnischen Wurzeln. Denn erst vor wenigen Tagen sind Mutter und Tochter angekommen in Horb. Drei Jahre wollen Mimosa und Rauna am Neckar verbringen. Sie sind die Neuen im Künstlerhaus.

Schon jetzt weiß Mimosa, was sie machen will: Salat pflanzen, Beete bauen, Kletterpflanzen hochziehen. Überhaupt soll alles etwas grüner werden ums Künstlerhaus. Denn die Natur beeindruckt die gebürtige Finnin am meisten an Horb: Die Stadt sei eine regelrechte „grüne Lunge“, findet sie. Die Kunst, das stellt Mimosa Pale klar, kann noch ein bisschen warten. Wie die dann am Ende aussieht, das ist bei der Frau von der finnischen Westküste immer eine Überraschung. Bildhauerei, Performance Art, Musik machen – das hat Mimosa Pale alles schon ausprobiert. Ausstellungen und Aufführungen von und mit ihr gab es von New York bis Zürich, in Helsinki und Hamburg. Die vergangenen zehn Jahre hat Mimosa in Berlin verbracht, wo sie ihr eigenes Atelier hatte. Auch einen Hutladen mit skurrilen Kopfbedeckungen betrieb sie in der Hauptstadt. „Das war ein Gesamtkunstwerk. Da gab es alle möglichen Veranstaltungen und Leute trafen sich – eine wilde Zeit.“

Wild ist auch Mimosas künstlerischer Werdegang. Mit einer riesigen Vagina aus Silikon und Plastikschaum auf dem Fahrrad zog sie durch die Pariser Straßen, lud Passanten zu einer Fahrt im mobilen Geschlechtsteil ein. In Stuttgart ließ sie sich bei ihrer „Cotton Candy Performance“ von Passanten Zuckerwatte von der Haut essen. Eine riesige Brust formte sie mit Freunden mitten auf dem finnischen Land. Das Ausgangsmaterial: tonnenweise Ochsenkot.

Bei diesen Aktionen lässt sich der voreilige Schluss ziehen, es ginge Mimosa Pale um Provokation. Oder darum, eine feministische Botschaft zu vermitteln. Beides falsch. Sie selbst hat eine simplere Antwort auf die Frage, was die Aktionskunst bewirken soll: „Es geht ums Überraschen. Es sind kurze Momente, die die Menschen in ihrem gewohnten Alltag berühren.“ Überhaupt findet Mimosa: Die Kunst soll raus aus Galerien und Museen. Mit Kritik, etwa im Netz, kann Mimosa umgehen. Umso mehr trifft es sie, wenn die Leute auf der Straße ihre Kunst nicht beachten. „Wenn weggeschaut wird, das ist das Schlimmste. Man wird irgendwie unsichtbar.“ Dass sich Symbole der Weiblichkeit durch ihr gesamtes Schaffen ziehen, kann die Finnin ebenfalls mit wenigen Worten begründen: „Es geht mir nicht explizit darum, Weiblichkeit auszudrücken. Es ist eher eine Form der Natürlichkeit. Ich bin eine Frau und ich kreiere.“

Jetzt, mit Tochter Rauna als „kleiner Assistentin“, war es Zeit für etwas Neues. Die Idee, nach Horb zu kommen, verdankt die Künstlerin einer schmerzhaften Mittelohrentzündung zur Weihnachtszeit: „Ich lag in Pori in Finnland krank im Bett, hatte nichts zu tun. Im Internet bin ich dann auf das Künstlerhaus gestoßen“. Die Hauptstadt wollte sie schon seit zwei Jahren verlassen. Alle paar Jahre ein Ortswechsel – für manche Künstler ein Muss. Mimosa Pale hingegen hat das nie bewusst zur Bedingung gemacht, um kreativ zu sein: „Darüber habe ich nie nachgedacht. Es ist eher so, dass ein Künstler wissen muss, wie er gute Bedingungen für sich schaffen kann.“ Horb scheint für die Finnin solche Bedingungen zu erfüllen: Natur, mittelalterliches Flair und Künstler-Freundin Justyna Köke wohnt nicht weit entfernt in Ludwigsburg. Nach einer spontanen Bewerbunge kam die Zusage für den Platz im Antonie-Leins-Künstlerhaus. Jetzt ist Horb für die kommenden drei Jahre das Zuhause von Mimosa und Rauna.

Eingelebt haben sie sich schon ganz gut. Vergangene Woche ging es zu den Ritterspielen, danach wurden im Hof erstmal Sonnenblumen gepflanzt. Die keimen zwar erst seit wenigen Tagen, Tochter Rauna ist aber schon jetzt ganz ungeduldig: „Wann sind die denn ganz hoch?“, will sie wissen. Das dauert noch. Bis dahin soll auch die Vierjährige nicht immer alleine spielen. „Es wäre toll, wenn Rauna hier ein paar Spielkameraden finden würde“, erklärt ihre Mutter, als die Stichsäge kurz Pause hat und zwecks Messarbeiten gegen den Zollstock eingetauscht wird.

Doch auch Mimosa will sich aktiv in Horb integrieren. Angetan hat es ihr die Fasnet: „Die Kostüme sehen toll aus, alles hat so eine lange Tradition“, findet sie. In einem der zahlreichen Vereine Mitglied zu sein – für die Künstlerin ein echter Traum.

Am Ende, als das Hochbeet langsam Form annimmt, spricht Mimosa Pale dann doch über ihre Kunstpläne für Horb. Vorerst muss sich niemand auf krasse Aktionskunst auf dem Flößerwasen einstellen: „Ich würde gerne bildhauerisch tätig sein“, verrät die Finnin. Skulpturen sollen es werden, auch wenn das Material für die noch nicht feststeht. In Horb gebe es dafür trotzdem viel Raum und Platz: „Es gibt viele Ecken, an denen ich vorbeikomme und mir denke, dass man dort was machen kann.“ Doch vorher geht es im August noch einmal in die Heimat. Wenn die Kunst dann kommt, sind vielleicht die Sonnenblumen auch schon ganz hoch.

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Erstellt:
23.06.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 44sec
zuletzt aktualisiert: 23.06.2018, 01:00 Uhr

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