Ein erdrückendes Argument, den Vatertag ersatzlos zu streichen.

The War Zone

Ein erdrückendes Argument, den Vatertag ersatzlos zu streichen.

24.11.2015

Von che

The War Zone

Am Vatertag sah man sie wieder zu hauf: all die netten, liebevollen, treu sorgenden Familienoberhäupter. Auch solche wie Ray Winston waren darunter: von bulliger Gestalt, zuweilen etwas aufbrausend, doch im Grunde des Gemüts patente Kerls und Papis. Man muss sich Ray vorstellen wie eines jener ungeschlachten Raubeine aus den neueren britischen Prolo-Komödien: Hart aber herzlich.

Auch "The War Zone" ist ein britischer Film, aber weiß Gott keine Komödie. Das Regiedebüt des Schauspielers Tim Roth ("Pulp Fiction") beginnt wie ein Heimatfilm. Wir schauen auf ein putziges Häuschen am Meer, umgeben von sattem Grün und schroffen Klippen. Doch wenn mit Heimat Schutz und Geborgenheit gemeint sein soll, dann ist die herbe Idylle ein bizarrer Witz.

Erst ist da bloß ein Verdacht: "Ich hab? dich mit Papa im Badezimmer gesehen", sagt der 15-jährige Sohn zu seiner zwei Jahre älteren Schwester. Später wird er beobachten, wie der Vater die Tochter in einem alten Bunker vergewaltigt. Anal, damit sie nicht schwanger wird. Mehr Handlung gibt es in "War Zone" nicht.

Das Wunder ist nicht die Beklemmung, mit der die meisten Zuschauer aus diesem Film schleichen; es ist der unbarmherzig präzise Realismus, mit dem sich die Passionsgeschichte Schritt für Schritt entfaltet. Der Regisseur möchte nicht, wie früher mal Fassbinder, die bürgerliche Familie demontieren. Ihm fehlt auch die hysterische Selbstgefälligkeit mancher selbst ernannter Kinderschutz-Trupps. Erzählt wird ein Einzelfall: schmucklos und roh. Roth wertet nicht, er beobachtet, protokolliert, wirft hin. Es gibt keine Schurken und keine Helden, nur mehr oder minder verkorkste Existenzen.

Roths Komplizen bei diesem heiklen Unternehmen sind die großartigen Schauspieler. Stellvertretend für das höllisch gut agierende Familien-Quartett muss man die Debütantin Lara Belmont (Bild) würdigen: Wie hinter dem Gefühls-und Gleichgültigkeits-Panzer fast unmerklich ihre Verwundungen zum Vorschein kommen - das hat man in solcher Intensität schon lange nicht mehr im Kino gesehen.

Auf eine Katharsis wird man freilich vergeblich warten. Weder weist Roth einen realitätsnahen Weg aus dem Schlamassel, noch lassen komödiantische Tupfer oder melodramatische Effekte eine Chance, die Tragödie in die üblichen Bahnen schaurig schönen Kinokonsums zu lenken. Zum Schluss wird die Tür des Bunkers zugeschlagen. Die Breitwand-Kamera schwenkt einmal mehr über die herbe Idylle. Abspann.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 09sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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