Gier verdirbt den Charakter: die schmale Moral in imposant schillernder Hülle.

There Will Be Blood

Gier verdirbt den Charakter: die schmale Moral in imposant schillernder Hülle.

23.11.2015

Von che

Am Anfang ist ein armes Schwein. Eine Viertelstunde lang zeigt Regisseur Paul Thomas Anderson ("Magnolia") stumm und beinahe dokumentarisch, wie ein verlotterter Abenteurer mit Hacke und Händen Löcher in die kalifornische Wüste gräbt. Als er mit schier unmenschlicher Willenskraft einen Eimer schwarzen Goldes aus dem Boden gepresst hat, ist die Wende geschafft ? zum Guten und vor allem zum Bösen. Was folgt, ist der unaufhaltsame Aufstieg zum mächtigen Ölbaron ? und ein ebenso steiler Absturz in die menschliche Verwahrlosung.

Zunächst empfiehlt sich dieser Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) noch als fleißiger und ehrbarer Unternehmer, der sich väterlich um den Sohn eines verunglückten Arbeiters kümmert. Doch je besser die Geschäfte gedeihen, desto rücksichtsloser werden seine Methoden. Einer bettelarmen Farmerfamilie luchst er für einen Almosen ein gigantisches Ölfeld ab. Todesfälle und eine familiäre Katastrophe werden als Kollateralschäden verbucht.

Nicht Reichtum ist die Triebfeder dieses karg zwischen Bohrtürmen hausenden Selfmade-Kapitalisten, sondern die Macht, nach Gutdünken über Menschen und Dinge verfügen zu können, sich gottähnlich zum Herrn über Leben und Tod aufzuschwingen ? mit eiskaltem Mord als logische Konsequenz. Der einzige, der ihm aus wohlkalkuliertem Eigeninteresse Paroli bietet, ist der fanatische Laienprediger Eli (Paul Dano). Doch auch er kann Plainviews brutalen Vorwärtsdrang nur bremsen, nicht aufhalten. Der Kapitalismus erweist sich als die effektivere Religion ? ehe im surrealen Schlussakt alles nochmals eine andere Wendung nimmt.

Frei nach Upton Sinclairs Roman („Oil? von 1927) erzählt Anderson die Saga vom Beginn des Ölzeitalters mit nur gedämpfter Dramatik. Seine Wucht bezieht der Film aus den imposanten Bildern, insbesondere der industriell zermarterten Landschaft, und dem Spiel Daniel Day Lewis?, dessen Charakterstudie eines von Gier und Hass überwältigten Mannes trotz gelegentlicher Überzeichnung eines Oscars würdig ist. Wo Anderson auch ein Symbolbild des Kapitalismus und seiner Triebkräfte zeichnen will, fällt der Film hinter einschlägige Vorbilder wie „Citizen Kane? und Luchino Viscontis „Die Verdammten? jedoch klar zurück.

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