Von Affen und Bananen

Tierschützer protestierten beim Tag der offenen Tür am Max-Planck-Institut

Das Tübinger Max-Planck-Institut lud nach fünfjähriger Pause am Samstag erstmals wieder zum Tag der offenen Tür. Zirka 1000 Besucher kamen. An allen Zugängen hatten sich Aktivisten der Initiative Soko Tierschutz postiert.

19.06.2016

Von DOROTHEE HERMANN

Die Entwicklung von Zebrafischen beobachteten Besucher am Samstag im Max-Planck-Institut unterm Mikroskop.Bilder: Faden

Die Entwicklung von Zebrafischen beobachteten Besucher am Samstag im Max-Planck-Institut unterm Mikroskop.Bilder: Faden

Tübingen. Die fünfjährige Abstinenz gegenüber Gästen von außen am Tübinger Max-Planck-Institut (MPI) hängt mit den „Tierversuchsgeschichten“ zusammen, sagte Nadja Winter, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit am MPI für Entwicklungsbiologie. Am Samstag war das anders: „Wir wollen Transparenz zeigen“, kündigte sie an. Besucher sollten die Möglichkeit bekommen, per Kamera direkt in das Affengehege hineinzuschauen. Gegen 15.30 Uhr war der angekündigte Live-Stream im Magnetresonanz-Zentrum auf dem Institutsgelände allerdings nicht in Betrieb.

Gut besucht war ein Experiment für Kinder ab zehn Jahren, für das sich auch zahlreiche jugendliche und erwachsene Besucher interessierten: Am MPI für Entwicklungsbiologie lernten sie unter Anleitung des Genetikers Frank Chan, die DNA von Bananen zu isolieren. Man braucht dazu nur ein Stück Banane, eine Gabel, ein Glas mit Ausguss, Kochsalz, Wasser, Spülmittel, einen Plastiktrichter, Vollwaschmittel und Ethanol. „Wir benutzen nur Hilfsmittel, die wir in einem normalen Haushalt finden“, sagte der aus Hongkong stammende Wissenschaftler.

„Bananen haben mehr Gene als Menschen“, erläuterte Chan, während erste Quirlgeräusche wie in einer Küche zu hören waren. „Sie sind vielleicht doch komplizierter als wir.“ Weil am MPI sowohl an Tieren als auch an Pflanzen geforscht werde, „haben wir die Perspektive von beiden Seiten“.

Bei dem Projekt „Body Talk (Körpersprache)“ am MPI für Intelligente Systeme geht es darum, virtuell möglichst realistische Körper zu erzeugen, die in Computerspielen, beim Online-Shopping oder in Animationsfilmen verwendet werden können. Bisher war das sehr kompliziert, sagte der Neurowissenschaftler und Informatiker Stephan Streuber. Die virtuelle Gestalt musste jeweils aus hunderttausenden von Punkten zusammengesetzt werden.

Mit der Computerwissenschaftlerin Alejandra Quiros hat er ein Modell entwickelt, wie sich ein virtueller Körper mit bestimmten Wörtern formen lässt, beispielsweise: schlank, muskulös, flachbrüstig oder birnenförmig. „Wie man das von Beschreibungen in Büchern kennt“, sagte Streuber. Es gibt einen weiblichen und einen männlichen Grundtyp. Der etwas kurzbeinige Modellmann, den die beiden Forscher den Besuchern vorführten, hat kein reales Gegenstück. „Aber er ist aus Daten von echten Menschen zusammengesetzt.“ Das Projekt soll über die vielversprechenden Nutzanwendungen hinausführen: „Es geht auch darum, wie wir Körper wahrnehmen.“

Der Maßschneider oder der Modedesigner, der neue Trends kreiert, lasse sich durch die virtuellen Modelle nicht ersetzen, sagte Streuber auf eine Zuhörerfrage. Aber: „Wenn ich den perfekten Schuh kaufen will, schicke ich künftig vielleicht ein Foto oder eine 3-D-Repräsentation von meinem Fuß.“ Für Prothesen lasse sich die Technik ebenfalls einsetzen, sagte Streuber einer Zuhörerin, die sich nach Anwendungsmöglichkeiten in der Reha erkundigt hatte.

Eine Rentnerin aus der Nordstadt interessierte sich besonders für das Cyberneum, eine neun Meter hohe Halle, in der ein Bewegungssimulator aufgehängt ist. Sie sieht sich gern an Forschungs-Instituten um: „Ich finde so etwas immer gut, dass Wissenschaftler uns teilhaben lassen. So etwas wie die Kinder-Uni sollte es auch für Erwachsene geben“, sagte sie. „Es zwingt die Wissenschaftler, eine verständliche Sprache zu benutzen – nicht von Elfenbeinturm zu Elfenbeinturm.“

Tierschützer: Werden die Affen nur verlegt?

Die Studentin Lydia Federmann wollte sich mit Kommilitonen den Tischtennis-Roboter anschauen, den sie bisher nur von einem Video in ihrer Mathematik-Vorlesung kennt. „Es ist gut, auch mal die Anwendungsseite zu sehen“, sagte die 20-Jährige, die Kognitionswissenschaften studiert. Sie wollte auch erfahren, „was wir nach dem Studium für Möglichkeiten haben“.

An allen Zugängen zum Gelände hatten sich gut 100 Aktivisten der bundesweiten Tierrechts-Initiative Soko Tierschutz postiert. „Für uns ist der Besucher-Tag der Tag der offenen Fragen“, sagte Soko-Gründer Friedrich Mülln. Am MPI würden die Versuche mit Affen zwar beendet. Doch es gebe weiterhin Tierexperimente an Tübinger Instituten, sagte er. So forsche das Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) ebenfalls an Affen. „Ich habe gehört, dass es Ideen gibt, Affen vom MPI ans CIN zu verlagern.“

Gelegentlich fuhr ein Streifenwagen vorbei. „Wir haben mehrere Strafanzeigen gegen Besucher und MPI-Mitarbeiter gestellt“, so Mülln. „Sie sind ausfällig geworden oder haben uns den Mittelfinger gezeigt.“ Auf Protest-Transparenten war zu lesen: „Warum wollen die Affen nicht freiwillig in den Primatenstuhl? – Warum müssen Tiere am Kopf festgeschraubt werden? Freiwilligkeit? – Wie viele Tiere leiden unter Wasserentzug?“

Was geht ab im Gehirn, wenn die Kids hinterm Steuer des Fahrsimulators sitzen?

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Live-Kamera bei den MPI-Affen

Das Tübinger Max-Planck-Institut (MPI) für biologische Kybernetik legt Wert auf die Feststellung, dass es beim Besuchertag am Samstagnachmittag zwei Infoveranstaltungen im MPI-Magnetresonanzzentrum gab, bei der ein Mitarbeiter mit Kamera live aus dem Tiergehege zugeschaltet war. Die Kleinbildschirme im Foyer des Gebäudes, die einen Livestream aus dem Affengehege zeigen sollten, aber kurzzeitig ausfielen, waren als Zusatzangebot gedacht.