Pandemie

Tödliche Gefahr für Hochbetagte

Seit Mitte Oktober vergangenen Jahres sterben wegen Corona deutlich mehr Menschen als sonst um die Jahreszeit üblich. Das trifft vor allem die älteste Bevölkerungsgruppe.

08.01.2021

Von HAJO ZENKER

Mediziner und Pfleger versorgen einen an Covid-19 erkrankten Patienten in der Universitätsklinik Greifswald. Foto: Jens Büttner/dpa

Mediziner und Pfleger versorgen einen an Covid-19 erkrankten Patienten in der Universitätsklinik Greifswald. Foto: Jens Büttner/dpa

Berlin. Führt Corona tatsächlich zu mehr Verstorbenen in Deutschland? Neue Zahlen zeigen: Es trifft vor allem die Älteren. Um abzuschätzen, wie tödlich eine Krankheit ist, wird die sogenannte Übersterblichkeit herangezogen, man schaut also, wie viele Menschen normalerweise in den jeweiligen Monaten sterben würden und wie viel mehr es dann bei einem besonderen Krankheitsgeschehen sind. So kam das Robert-Koch-Institut (RKI) für die schwere Grippesaison 2017/18 in einer späteren Abschätzung etwa auf 25?000 Tote, obwohl es nur 1674 laborbestätigte Fälle gab. Wer also noch immer meint, die Zahl der mehr als 37?600 Menschen, die an oder mit Corona gestorben sind, zeige, dass Sars-Cov-2 kaum gefährlicher als eine Influenza sei, sollte sich auf eine spätere Berechnung einstellen, die noch viel höhere Corona-Todeszahlen beinhalten dürfte.

Meist die wesentliche Ursache

Auch das gern angeführte Argument, die meisten Toten seien gar nicht an dem Virus, sondern an Vorerkrankungen gestorben, scheint wenig stichhaltig. Jedenfalls sind sich Experten von gleich drei Pathologieverbänden einig: Bei 82?Prozent der Obduzierten konnte Corona als wesentliche oder alleinige Todesursache festgestellt werden. Ob man als „an“ oder als „mit“ Corona Verstorbener gilt, legen letztlich die Gesundheitsämter fest. Das Vorgehen erläutert das Statistische Bundesamt an dem Beispiel, dass ein Patient an Lungenversagen gestorben ist. Dieses war auf eine Lungenentzündung zurückzuführen, die durch Covid-19 ausgelöst wurde. Damit ist der Patient an Corona gestorben. In Bayern sind laut Landesamt für Gesundheit 88 Prozent der Toten an Covid-19 gestorben, 12 Prozent mit Covid-19.

Wie stark solche Corona-Todesfälle die Zahl der in Deutschland Verstorbenen beeinflusst haben, zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes für 2020. Danach gab es von Ende März bis Anfang Mai „durchgehend und deutlich erhöhte Sterbefallzahlen im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019“. In der 15. Kalenderwoche (6. bis 12. April) war die Abweichung mit 15 Prozent über dem vierjährigen Durchschnitt am größten. Auch die Zahl der Covid-19-Todesfälle, die beim RKI gemeldet werden, hatte da einen Höchststand erreicht. Im gesamten April lag die Zahl der Gestorbenen zehn Prozent über dem Schnitt. Danach normalisierte sich das Geschehen – mit der Ausnahme Mitte August, wo im Zuge einer Hitzewelle die Sterbefallzahlen um 21?Prozent über normal lagen.

Während noch in der ersten Oktoberhälfte die Zahl der Sterbefälle im Schnitt lag, nahm ab Mitte Oktober die Übersterblichkeit zu – auf zunächst sieben Prozent. Für die letzte Novemberwoche wurden bereits 14 Prozent mehr gemeldet. Da die starke Zunahme der Todesfälle aber erst im Dezember einsetzte, muss für den letzten Monat des Jahres mit einer deutlichen Übersterblichkeit gerechnet werden. Zahlen dazu gibt es noch nicht. Wie sich das also letztlich auf das ganze Jahr auswirkt, muss man abwarten. Von Januar bis Mitte November betrug die Übersterblichkeit über alle Altersgruppen lediglich moderate zwei Prozent.

Wo aber definitiv die Sterblichkeit stark zugenommen hat, ist in den Altersgruppen 60 bis 79 Jahre und über 80 Jahre. Das hat das ifo Institut errechnet. Die hohe Übersterblichkeit in der zweiten Welle „resultiert allein aus einer erhöhten Zahl an Todesfällen in der Altersgruppe 80+“. Das sei sehr bemerkenswert, „weil in den Wochen zuvor selbst in dieser Altersgruppe nur eine geringfügig erhöhte Sterblichkeit festzustellen war“, so das Institut. „Für die jüngeren Altersgruppen dagegen haben die staatlichen Maßnahmen funktioniert. Ihre Sterblichkeitsrate war bis in den November nicht höher als üblich“, sagt Joachim Ragnitz von ifo.

So entfielen Mitte Dezember 69,4 Prozent der Corona-Toten auf die über 80-Jährigen. 27,9 Prozent der Toten kamen von den 60- bis 79-Jährigen. Womit erneut belegt ist: So unangenehm Corona für Menschen jeden Alters sein kann – tödlich ist Covid-19 vor allem für Hochbetagte.

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Erstellt:
08.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 54sec
zuletzt aktualisiert: 08.01.2021, 06:00 Uhr

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