Weihnachten

Tradition? Ja, bitte!

Bei Familie Hötzel in Talheim gilt an Heiligabend eins: Alle kommen nach Hause – egal an welcher Ecke der Welt sie sich gerade befinden.

24.12.2016

Von Dagmar Stepper

Marianne Hötzel freut sich auf heute Abend: Dann ist die Großfamilie mal wieder vereint. Bild: Kuball

Marianne Hötzel freut sich auf heute Abend: Dann ist die Großfamilie mal wieder vereint. Bild: Kuball

Heute Abend wird das Haus von Marianne Hötzel wieder von Besuchern überquellen. Sie freut sich darauf. Weihnachten ist für sie das Familienfest. Während es zu dieser Zeit immer mehr Menschen weg von zu Hause zieht, ist es bei Hötzels umgekehrt. Ihre fünf Kinder bestehen darauf, an Weihnachten nach Talheim zu kommen. Obwohl es sie in die ganze Welt verstreut hat.

Früher immer bei der Oma

Wir sitzen bei Marianne Hötzel im Wohnzimmer. Der Kachelofen spendet wohlige Wärme. Ihr jüngster Sohn Claudius bringt Kaffee, ihr Enkel Luis serviert Plätzchen. Zwei Katzen flitzen durch das Zimmer. Marianne Hötzel blickt einem direkt in die Augen: „Was wollen Sie wissen?“ Es soll bei diesem Gespräch um Weihnachten gehen, um Traditionen, welche Erwartungen man an das wichtigste Fest des Jahres verknüpft, ob es auch traurige Momente gibt. Marianne Hötzel beginnt zu erzählen.

„Früher sind wir an Heiligabend immer zur Oma nach Bergfelden.“ Es war ein Ritual, das sie geliebt hat. „Heiligabend ist ein Familienfest, an Heiligabend muss man nach Hause“, ist die einfache Botschaft. Hötzel wuchs mit drei Geschwistern auf, an Heiligabend trafen sich alle bei der Großmutter. Auch Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen versammelten sich im Wohnzimmer. „Die Bude war immer brechend voll. Wir mussten den Christbaum anbinden, damit er nicht umfällt.“ Der Abend verlief immer nach dem selben Brauch: Zuerst wurde die Weihnachtsgeschichte vorgelesen, dann gemeinsam gesungen. Nach der Bescherung stand das gemeinsame Essen in fröhlicher Runde an.

Diese glücklichen Augenblicke hat Marianne Hötzel verinnerlicht. Und ohne dass sie es geplant hatte, führt sie diese Tradition nun im eigenen Haus fort. Anfang der 60er-Jahre lernte sie Hans Heinz Hötzel kennen. Er war damals Aushilfslehrer an der Schule in Bergfelden, auf die ihr Bruder ging. Später haben sich ihre Wege wieder gekreuzt. Und er wurde zur Liebe ihres Lebens. Man muss das wissen, um auch den Weinachtszauber zu verstehen, der immer im Hause Hötzels geherrscht hat. Die beiden heirateten 1968 und zogen zusammen nach Talheim. Marianne Hötzel hatte sich ebenfalls für den Schuldienst entschieden. 1969 wurde der Sohn Jochen geboren, 1970 Tochter Aenne, 1971 Tillmann, der mit sechs Jahren nach einem tragischen Unfall gestorben ist.

Je voller, desto besser

Marianne Hötzel schluckt kurz, als sie es sagt. Es mag komisch klingen, wenn man von Weihnachtsfreuden erzählt und vom Tod eines Kindes. Doch das Gespräch dreht sich gerade um ihre Kinder, die alle an Heiligabend nach Talheim strömen. Ungeachtet, wo sie gerade sind. Daher macht sie tapfer weiter. 1978 kam Dominik auf die Welt, 1980 Carolin, 1988 Claudius.

Die Hötzelschen Kinder hat es in die Welt hinaus getrieben. Jochen ist Physiker in der Schweiz, Dominik arbeitet als Pilot in Kuwait, die Oberkommissarin Carolin wohnt in Konstanz, Claudius studierte Geschichte, Politik und Sport und bereitet sich gerade auf seine Promotion vor. Er ist ganz gern bei einem Freund in Singapur. Nur die Studiendirektorin Aenne ist in Horb geblieben.

Wann das Weihnachtsfest von der Oma zu den Hötzels in Talheim verlegt wurde, kann Marianne Hötzel nicht genau sagen. Klar ist, dass sie mit dem Bau ihres Hauses im oberen Talheim 1985 den Heiligabend immer hier verbracht haben. Es wäre nicht so, dass sie drauf besteht, dass die Kinder an diesem Tag heimkommen müssen. „Sie wollen das so“, sagt sie. Und sie bringen auch immer ihre Partner, Freude und Kinder mit. Seit Anfang dieser Woche ist die kuwaitische Schwiegertochter und ihr Enkelsohn in Talheim. Ihr Sohn Dominik muss noch arbeiten. So langsam füllt sich im Laufe der Woche das Haus. Ihre Kinder dürfen an Weihnachten auch ihre Freunde mitbringen. Je voller, desto besser. Sie hatte auch schon ausländische Studenten des Hesse-Kollegs an Weihnachten zu Gast. „Es kam ein Anruf: Ich bin an Weihnachten allein. Kann ich kommen?“. Klar, können sie kommen.

Traurige Momente

Heute Abend werden alle zusammensitzen. Der Baum ist bereits geschmückt, ihr Enkel Luis hat ihn ausgesucht. Früher hat die Familie das immer an Heiligabend getan. „Aber so ist das viel entspannter“, meint Marianne Hötzel. Sie hat für den frühen Nachmittag Bratwürste aus Bergfelden gekauft. „Die schmecken wie in meiner Kindheit.“ Dazu gibt es Kartoffelsalat. Dann geht es zum Singen ins Dorf. Der Gesangverein tritt an mehreren Stellen im Ort auf. Das ist für die Familie ein Muss. „Mein Mann hat ja jahrelang im Gesangverein gesungen“, sagt Marianne Hötzel. Das ist ein weiterer Schlag, den sie in ihrem Leben verkraften musste. Ihr geliebter Hans Heinz starb Anfang Dezember 2007 bei einem Verkehrsunfall, an dem er nicht selbst Schuld war. Das hat eine Lücke in ihr Leben gerissen, die noch heute schmerzt. 2007 war so auch die schlimmste Weihnacht für die Familie: das erste Fest ohne den Vater und Ehemann.

Lachen und Musik

Doch das Leben geht weiter, so plakativ das klingen mag. Später am Tag wird Marianne Hötzel in die Kirche gehen, ein paar der Gäste werden sie sicher begleiten. Und danach beginnt die Tradition von Neuem, die so schon bei ihrer Großmutter in Bergfelden galt: Es wird die Weihnachtsgeschichte vorgelesen, es wird gesungen, Geschenke verteilt und gut gegessen. Alle sitzen in der Küche an einem großen Tisch. Wie immer gibt es Raclette. Später sitzt die Familie zusammen. „Es ist immer ein lustiger Abend. Mit viel Lachen und viel Musik. Wer Klavier spielen kann, muss sich ans Klavier setzen.“ Dieses Mal wird darunter auch ihr jüngster Enkel Luis sein. Er kann inzwischen „Jingle Bells“ spielen.

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Erstellt:
24.12.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 53sec
zuletzt aktualisiert: 24.12.2016, 01:00 Uhr

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