Neuer Fund aus der Vogelherdhöhle

Tübinger Forscher zeigen eine erkennbare Flöte aus der Steinzeit

Jahrelange Feinarbeit war nötig: Nun präsentiert Nicholas Conard ein Flötenfragment, einen weiteren Fund aus der Vogelherdhöhle.

20.04.2017

Von Kathrin Kammerer

Nicholas Conard (rechts) und Ewa Dutkiewicz präsentieren das rund 40000 Jahre alte Fragment einer Knochenflöte. Bilder: Metz

Nicholas Conard (rechts) und Ewa Dutkiewicz präsentieren das rund 40 000 Jahre alte Fragment einer Knochenflöte. Bilder: Metz

In den Höhlen der Schwäbischen Alb hat der Tübinger Urgeschichtler Nicholas Conard schon einige Flötenfragmente gefunden. Doch über den aktuellsten Fang seines Ausgrabungsteams freut er sich besonders: „Endlich mal ein Flötenfragment, das auch ein normaler Mensch erkennt.“ Und so wird der Fund im Museum „Alte Kulturen“ auch gleich ausführlich den Medienvertretern vorgestellt.

42 Millimeter lang und 9 Millimeter breit ist das Knochenstück, das die Archäologen in der Vogelherdhöhle im Lonetal gefunden haben. Auf 40 000 Jahre schätzt Conard das Alter des Fragments. Zwei Grifflöcher sowie die charakteristische Überarbeitung der Oberfläche des Knochenstücks zeigen, so der Urgeschichtler, dass es sich hier um einen Teil einer Flöte handelt.

„Man kann die Leute relativ leicht mit Figuren wie dem Pferd oder dem Mammut aus der Vogelherdhöhle begeistern“, so Conard. „Aber die Musik von damals wird kaum wahrgenommen.“ Zu unrecht, wie er sagt: Sind die gefundenen Musikinstrumente doch eine von insgesamt vier „Innovationen“, die man aus dieser Zeit und in dieser Form nur in den Höhen der Schwäbischen Alb findet. Figürliche Kunst, mystische Darstellungen sowie Schmuck in dreidimensionaler Form gehören ebenso dazu.

„Seit 1995 wissen wir, dass es damals Flöten gab“, erklärt der Tübinger Forscher. In diesem Jahr wurden zwei Flöten aus Schwanenknochen im Geißenklösterle, ebenfalls eine der Alb-Höhlen, gefunden. Der Vogelherd ist der zweite Ort, an dem Flötenfragmente gesichert wurden.

Es gibt Flöten aus dieser Zeit in verschiedenen Größen und aus unterschiedlichen Materialien. So fördert Conard aus seinem kleinen Koffer gleich ein weiteres Fragment zutage, das wahrscheinlich auch mal eine Flöte war. Es ist kleiner als das neuste Fundstück, hat aber ebenfalls Grifflöcher. Der Ton dieses Instruments sei auf Grund der geringeren Größe viel schriller. „Das war dann sowas wie ein Piccolo der Urzeit“, scherzt er.

Es gibt Flöten aus Knochen und auch aus Elfenbein. Während die Herstellung einer Knochenflöte rund eine Stunde dauerte, nahm eine Elfenbeinflöte laut Conard gut hundert Stunden Arbeit in Anspruch. Für Knochenflöten wurden beispielsweise Schwanenknochen oder Geierflügelknochen – so auch bei der neusten Flöte – verwendet. Die Löcher mussten dann nicht mehr gebohrt, sondern nur noch geschabt werden. Einen (Mammut-)Stoßzahn in ein Musikinstrument umzuwandeln, war wesentlich schwerer: „Der Stoßzahn musste in zwei Hälften zerlegt werden, bevor man ihn aushöhlen und wieder zusammenbauen konnte“, erklärt Conard. Warum also einen solchen Mehraufwand betreiben? „Elfenbeinflöten konnte man beliebig groß machen“, so der Urgeschichtler.

Sogar verziert wurden die alten Musikinstrumente, wie Ewa Dutkiewicz erklärt. Sie ist ebenfalls Urgeschichtlerin und hat für ihre Promovation auf diesem Gebiet geforscht. Meistens waren es Kerben, die zum einen eine ästhetische Wirkung hatten und zum anderen an Elfenbeinflöten angebracht wurden, um die ausgehöhlten Stücke wieder passgenau zusammensetzen zu können.

Weltweit lösen die Tübinger Fundstücke Begeisterung aus, berichtete Conard, der jüngst von einer Tagung aus Sankt Petersburg zurück gekommen war. Das neuste Flötenfragment wird ab Mai in der Ausstellung „Ursprünge“ im Museum „Alte Kulturen“ auf dem Schloss zu sehen sein.

Das neuste Flötenfragment

Das neuste Flötenfragment

Es wird weiterhin sortiert und analysiert

Die ersten Ausgrabungen in der Vogelherdhöhle waren im Jahr 1931. 46 Jahre später veranlasste Eberhard Wagner systematische Nachgrabungen, jedoch ohne Funde. Nochmals 28 Jahre später leitete Nicholas Conard die nächsten Nachgrabungen ein. Diese dauerten bis 2012. Dabei wurden insgesamt 32 519 Säcke mit einem Fassungsvermögen von jeweils 16 Litern mit Sedimenten gefüllt. Diese wurden dann systematisch und aufmerksam ausgewaschen. Bis 2016 dauerten die anschließende Sortierung der Fundstücke – „und deren Analyse ist noch lange nicht abgeschlossen“, so Conard. Bei den Nachgrabungen wurden 68 figürliche Kunstwerke sowie 98 „mögliche Kunstwerke“ gefunden. Das Archäologen-Team um Conard muss noch eine ganze Weile „puzzeln“, wie er sagt, um eventuell zueinandergehörige Fragmente zu identifizieren.

Außerdem wurden 28,7 Kilogramm Elfenbeinfragmente und 589 einzelne Elfenbeinschmuckstücke gefunden.

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Erstellt:
20.04.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 20.04.2017, 01:00 Uhr

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