Falscher Polizist verurteilt

Tübinger Landgericht: 4 Jahre und 10 Monate Haft für den „Keiler“

Am Tübinger Landgericht ging am Donnerstagnachmittag ein außergewöhnlicher Prozess zu Ende: Erstmals wurde in einem Verfahren gegen Betrüger, die als falsche Polizisten Seniorinnen abzocken, einer der Anrufer verurteilt.

22.11.2018

Von Jonas Bleeser

Landgericht Tübingen. Symbolbild: Sommer

Landgericht Tübingen. Symbolbild: Sommer

Der 31-Jährige hatte gestanden, als Teil einer Bande drei alte Frauen von der Türkei aus um insgesamt 100.000 Euro betrogen zu haben. Er gab sich am Telefon als Polizist aus und überzeugte sie, dass es Kriminelle auf ihr Vermögen abgesehen hätten: Nur bei der Polizei seien ihre Wertsachen sicher. Mehrere Frauen, darunter eine Mössingerin und eine Tübingerin, brachte er sogar dazu, ihre Ersparnisse von der Bank abzuheben, weil dort angeblich ebenfalls Kriminelle arbeiten würden. Eine der Seniorinnen übergab einem Abholer der Bande insgesamt 30.000 Euro, bei der anderen konnte die echte Polizei die Übergabe gerade noch verhindern.

Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten sich vorab auf einen verminderten Strafrahmen geeignet: Bei einem Geständnis sollte so den Opfern ein Auftritt vor Gericht erspart bleiben. Außerdem war Voraussetzung für eine Haftstrafe zwischen 4,5 und 5,5 Jahren, dass der Mann Hintergründe zu den Bandenstrukturen in der Türkei an die Ermittler weitergibt.

Da der in München aufgewachsene Türke allerdings mit einer erneuten Ausweisung in die Türkei rechnen muss, gab er dann doch keine Namen von Hintermännern preis. Auch aufgrund der Berichterstattung über den Prozess fürchtet er ums sein Leben, sollte er erneut in das Heimatland seiner Eltern abgeschoben werden. Ob es dazu kommt, entscheiden aber weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht, sondern die Ausländerbehörde.

Der Staatsanwalt forderte für drei vollendete und zwei versuchte Fälle schweren bandenmäßigen Betrugs eine Strafe von fünf Jahren Gefängnis. Da ein psychiatrischer Gutachter dem 31-Jährigen eine schwere Kokain- und Cannabisabhängigkeit bescheinigt hatte, befürwortete er außerdem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Außerdem muss der Angeklagte seinen Anteil an der Beute in den angeklagten Fällen in Höhe von 15.000 Euro an die Opfer zurückzahlen.

Die Verteidiger forderten eine Strafe von 4 Jahren und 6 Monaten. Der Angeklagte sei kein Drahtzieher gewesen, sondern habe im Auftrag der wahren Hintermänner gehandelt. Auch sei er durch seine Drogensucht in der Türkei bei Dealern hochverschuldet gewesen. Da er weder eine Ausbildung hat noch besonders gut türkisch spricht, habe er sich seine Sucht mit dem geringen Verdienst in einem Callcenter nicht finanzieren können. Nur deshalb habe er sich auf die Sache eingelassen.

Die Anwälte forderten außerdem, eine eingeschränkte Schuldfähigkeit wegen des massiven Drogenkonsums nicht auszuschließen. Auch sie halten eine Drogentherapie für den richtigen Weg. In seinem letzten Wort erklärte der Angeklagte, dass er sich sehr schäme. Sobald er nach einer Therapie Geld verdiene, wolle er den Frauen möglichst viel zurückzahlen.

Das Gericht entschied auf 4 Jahre und 10 Monate Haft.

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Erstellt:
22.11.2018, 14:15 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 19sec
zuletzt aktualisiert: 22.11.2018, 14:15 Uhr

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