Zwischen Scherz und Straftat

Über Höhepunkte und Abgründe der Maiennächte / Heute ist‘s wieder soweit

In Bayern heißt sie Freinacht, im hiesigen Raum spricht man eher von der Maiennacht. Die Stunden vor dem 1. Mai sind traditionell die Zeit für mehr oder minder intelligente Scherze. Heute ist es wieder soweit, also bietet es sich unter Umständen an, die Wäsche von der Leine zu holen, das Gartentürchen zu verketten und weg-tragbares Gartenmobiliar oder das „Hängerle“ fürs Auto sicher zu verstauen.

30.04.2016

Von Gerd Braun

Brüller im Jahre 2012: Der bei Ihlingen aufgepinselte Zebrastreifen über die B14. Archivbild: Kuball

Brüller im Jahre 2012: Der bei Ihlingen aufgepinselte Zebrastreifen über die B14. Archivbild: Kuball

Horb. Der Hang der Jugend im Ort, sich in der Nacht vor dem 1. Mai fürs Scherzen auf die Straße zu begeben, hängt zum einen vom Wetter ab und differiert gewiss von Ortschaft zu Ortschaft. Während beispielsweise in der Kreisstadt kaum jemand darum fürchten muss, dass sein Heilix Blechle eine Zahnpasta-Pflege bekommt oder in Klopapier gewickelt wird, ist dies im östlichen Kreis eher zu erwarten. Die Grenze zwischen Spaß und Straftat sind allerdings fließend.

Um nach Recht und Ordnung zu sehen, ist die Nachtschicht des Polizeireviers Horb heute stärker besetzt, erklärt Revierleiter Markus Mast. Eine klare Verlagerung der spaßigen Maien-Scherze hin zu Aktionen im Straftatsbereich kann er jedoch nicht feststellen. Im vergangenen Jahr habe es sechs Anzeigen gegeben, bevorzugt im Bereich der Sachbeschädigung. Autobesitzer wurden Opfer, aber auch Fassadenwände, an denen in der Früh des 1. Mai Eier klebten – ein Anblick, der einigen Bewohnern auf dem Horber Hohenberg noch gut in Erinnerung sein dürfte.

Wasser und Mehl: übles

Gemisch für den Lack

Gut in Erinnerung ist ein Stichwort für einen Gag, der schon knapp 20 Jahre zurückliegt. Ein damals junger Horber fand seinen schwarzen Geländewagen nächtens überzogen mit einer Schicht aus Wasser und Mehl vor – die in der Sonne am Folgetag zu einem Beton-artigen Überzug aushärtete. Diese Schicht wieder weg zu bekommen, war ein längerer Prozess, und dass der junge Mann, als er genervt losfahren wollte, insofern daran gehindert wurde, dass die Karre von Scherzkeksen aufgebockt worden war, machte dessen Stimmung gelinde gesagt nicht gerade besser.

Neben Scherzen, die in weniger schöner Erinnerung bleiben, gibt es seit jeher natürlich immer wieder auch gelungene Aktionen. Ein Blick ins Archiv erinnert beispielsweise an das reichlich mit Schiedsrichterstühlen, Sitzbänken und Schubkarren präparierte Clubhaus-Dach des TC Bildechingen im Jahr 2006.

In Ihlingen wird vielen noch der 2012 auf die B14 gepinselte Zebrastreifen in Erinnerung sein. „Wunder gibt es eben doch“, titelte seinerzeit die SÜDWEST PRESSE, und darunter abgebildet ist die Aufnahme, wie die Feuerwehr die Streifen wieder mit dem Hochdruckreiniger entfernt.

Besonders hoch gehalten wird der Brauch der (guten) Maiennachts-Scherze im Gäu. Hier gibt es eine lange Historie netter Aktionen allein aus den vergangenen zwölf Jahren. Die Weitinger „Hoamet“ und der Narrenverein haben früher immer wieder kommunalpolitische Themen bei ihren Maischerzen aufs Korn genommen. Da wurde der Dorfplatz mal zur „Piazza“ umgestaltet – und zwar mit öffentlichem WC – ein anderes Mal ein Barfußpark unter dem Motto „Unser Dorf soll schöner werden“ gestaltet. Und auch hier wurde einmal ein Zebrastreifen vor dem Wohnaus von Bruno Bok aufgemalt und in beiden Fahrtrichtungen das Gefahren-Hinweisschild „Vorsicht – hier wechselt ein Bok“ angebracht. Da kam an andern Tag auch die Polizei und ermittelte wegen unerlaubten Anbringens und Aufstellens von Verkehrszeichen.

Eine beliebte sportliche Übung in der Maiennacht ist bekanntlich auch das Umsägen des Maibaums aus einem Nachbarort – so dies möglich ist, wenn dieser nicht durch Metallstreben gesichert wurde. Beispiele gefällig? In Mühlen hieß es 2007 „Baum fällt“, 2010 traf es Dießen.

Tipps für Scherze

gibt‘s auch im Internet

Damit Mai-Scherze nicht grundsätzlich völlig bescheuert oder gar strafbar sind, bietet natürlich auch das Internet wieder eine Plattform, um sich inspirieren zu lassen. Anregungen gibt es beispielsweise unter „www.helpster.de/gute-1-mai-streiche-so-kommen-sie-mit-humor-in-den-mai_130800“. Oder aber, Sie stellen einfach dem Nachbarn seinen nicht ordnungsgemäß aufgeräumten Heuwagen auf den Dachfirst seines Hauses – siehe unten stehenden Kasten…

In Weitingen war im Jahr 2008 eine öffentliche Luxus-WC-Anlage Thema. Bild: hn

In Weitingen war im Jahr 2008 eine öffentliche Luxus-WC-Anlage Thema. Bild: hn

Maiennacht – kurzer Streifzug durch das Brauchtum

Die Maiennacht ist ein uralter Brauch, der, so wird überliefert, einst eigentlich der Durchsetzung dörflicher Ordnung galt. Tatsächlich gab es einst viele sogenannte „Freinächte“ im Jahr – stets die Nacht vor großen Feiertagen. Hier durfte die Dorfjugend auch mal über die Stränge schlagen; gerade, wenn es um die Ordentlichkeit im Dorf für den Feiertag ging. Wer ums Haus herum nicht aufgeräumt hatte, bekam nächtlichen Besuch. Offenstehende Stalltore wurden ausgehängt und versteckt – und einen auf dem Hof stehenden Heuwagen, fand man früher gelegentlich auf dem Dachfirst wieder – komplett demontiert und oben zusammengebaut. Eine deftige Lektion, zum Feiertag seinen Kram aufzuräumen.

Wie die einstige Freinacht sich auf die Nacht vor dem 1. Mai reduzierte, ist unklar. Spätestens in den 1970er-Jahren wandelte sich der Brauch stark: Man zog in der Maiennacht nicht aus, um Ordnung, sondern Unordnung zu stiften: Autos werden bei heute gerne mit Klopapier umwickelt, zum Einsatz kommen gerne auch Zahnpasta oder Rasierschaum.

Aus den 80er-Jahren sind erste Exzesse mit fehlenden Kanaldeckeln überliefert, die für Fußgänger wie Autofahrer brandgefährliche Fallen darstellen.

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Erstellt:
30.04.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 20sec
zuletzt aktualisiert: 30.04.2016, 01:00 Uhr

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