Empfingen · Soziales

Nicht nur heile Kinder-Welt in Empfingen

Die Jugendreferentin berichtet von Kindern und Jugendlichen in Empfingen, die sich selbst verletzen und unter familiären Problemen leiden.

13.12.2019

Von Frank Wewoda

Wichtige Aufgaben der Empfinger Jugendreferentin: Die Präventionsarbeit, etwa in Bezug auf Mobbing und Drogen wie hier 2019 beim Projekt „Clik“, und die Streitschlichter-Ausbildung.Archivbild: Frank Wewoda

Wichtige Aufgaben der Empfinger Jugendreferentin: Die Präventionsarbeit, etwa in Bezug auf Mobbing und Drogen wie hier 2019 beim Projekt „Clik“, und die Streitschlichter-Ausbildung.Archivbild: Frank Wewoda

Empfingen ist kein weißer Fleck mehr auf der Landkarte“ bei sozialen und familiären Probleme von Kindern und Jugendlichen, stellte Udo Bartsch im Empfinger Gemeinderat fest.

Bartsch ist der Beauftragte für FSJ und Ausbildung im Sigmaringer Haus Nazareth, das die kommunale Empfinger Jugendarbeit im Auftrag der Gemeinde leistet. Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin Maria Vitale ist bei diesem „ausführenden Träger“ angestellt, nicht bei der Gemeinde. In der Beratung habe es dieses Jahr Fälle von „Ritzen“ in Empfingen gegeben, berichtete Vitale. Es handelt sich dabei um Schüler, die sich selbst gezielt Verletzungen zufügen. Dieses selbstschädigende Verhalten kann Ausdruck ernsterer psychischer Probleme sein, muss es aber nicht. Teilweise imitieren Teenager auch nur aus Neugierde dieses Verhalten, über das sie etwa im Internet erfahren. Auch Gewalt in der Familie sei bei der Beratung ein Thema in Empfingen gewesen, so Vitale.

Bei Fällen wie diesen seien laut Bartsch „Gefährdungseinschätzungen“ im Haus Nazareth verpflichtend. „Wir arbeiten hier nach Gesetzeslage, unser Team der Krisenintervention greift ein, wenn es für notwendig erachtet wird“, informierte Bartsch die Gemeinderäte weiter. Die Frage sei immer: „Wann müssen wir andere Stellen einschalten?“ Doch die schwereren Fälle sind natürlich die Ausnahme. Allgemein machten gerade Kinder einige Probleme im Umgang, die ,überbehütet‘ werden, von zu Hause keine Grenzen mitbekommen, so Bartsch. „Hier haben wir sicher kein spezielles Empfinger Problem“, betonte der Vertreter des Hauses Nazareth. Er schilderte anschaulich: „Da stehst Du vor Siebenjährigen und meinst, Du bist im falschen Film!“ Der Respekt fehle oft, Einsicht sei kaum vorhanden. „Ellenbogen raus“ sei vielmehr das Motto. „Das ist für mich eine neue Dimension“, so Bartsch. „2020 sind wir dran, noch mehr die Eltern zu stärken“, informierte er.

Hinter Entwicklungsproblemen bei Kindern und Jugendlichen sieht Bartsch als Ursache auch einen „enormen Druck, dem Kinder teils ausgesetzt sind“, die sowohl in der Schule als auch in der Freizeit, Erfolge aller Art abliefern sollen. Dies seien dann Kinder, die nicht Kind sein dürften.

Die Empfinger Gemeinderätin Silke Hellstern (UBL) kritisierte, Maria Vitale sei unter den Empfingern Schülern der weiterbildenden Schulen noch nicht ausreichend bekannt. Empfinger besuchen auch Schulen in Sulz, Vöhringen und Haigerloch. Sie habe ihre beiden Söhne, die am Sulzer Gymnasium sind, gefragt, wohin sie sich wenden würden, wenn sie Probleme hätten. Als Antworten seien „Telefonseelsorge, Vertrauenslehrer und die Polizei“. Vitale versprach daraufhin, sich im kommenden Jahr intensiv darum zu kümmern, an allen genannten Schulen präsent zu sein und wahrgenommen zu werden.

Zu Vitales Aufgaben gehören darüber hinaus die Präventionsarbeit, etwa im Bereich Dorgen, Gremien- und Netzwerkarbeit sowie die Kinder- und Jugendbeteiligung in der Gemeinde. Veranstaltet hat das Jugendreferat im abgelaufenen Schuljahr mehrere „Aktionstage“ in den Oster- und Pfingstferien. Zudem ist es hauptverantwortlich beim Sommerferienprogramm.

Für diese Angebote werden weitere Räume der Schule genutzt wie beispielsweise die Aula, die Küche und der Technikraum, in der offenen Jugendarbeit auch die Räume des Jugend- und Kulturvereins Empfingen (JKV) im Jugendhaus im Auchtert. Aus den Reihen der Gemeinderäte wurde gefragt, ob nicht eine Stadtranderholung in den Sommerferien denkbar wäre, bei der Eltern nicht nur an einzelnen Tagen, sondern wochenweise bis 16 Uhr nachmittags entlastet werden könnten. Udo Bartsch antwortete: „Wenn Interesse an einer Stadtranderholung besteht, sind wir bereit, ein Konzept aufzustellen und eine Kostenschätzung zu machen.“ Bürgermeister Ferdinand Truffner wies darauf hin, dass ein intensives Angebot über Gebühren und Umlagen finanziert werden müssten – Maria Vitale allein könne das nicht leisten. Truffner ergänzte, er habe selbst in der Stadtranderholung gearbeitet und wisse, wie anstrengend das sei. Wenn man eine Stadtranderholung veranstalte, müsse sie verlässlich sein, betonte Bartsch. Dazu brauche es jedoch zwingend mehr Personal.

Vitale ist mit ihren jetzigen Aufgaben schon gut ausgelastet: In der Tätigkeit der „offenen Jugendarbeit“ in Empfingen ist bei ihr jedoch die Erkenntnis gereift, dass regelmäßige Nachmittagsangebote inzwischen am Bedarf vorbeigehen. Ihre Versuche, solche wöchentlichen Angebote zu etablieren, verliefen im Sand. „Vereinzelte Aktionstage“ kommen laut Vitale besser an als regelmäßige Nachmittagsangebote.

Jugendsporttag 2020 geplant

So sei für 2020 bereits ein „Jugendsporttag“ in Planung, einzelne Vereine hätten schon eine Kooperation zugesagt. Ebenso stehen Jugendbeteiligung und Jugendhearing wieder auf der Aufgabenliste für nächstes Jahr. Um hier erfolgreich zu sein, hält Vitale Kontakt zu 14 Empfinger Jugendlichen, deren Ideen sie auswertet. Werbung für die Angebote der offenen Jugendarbeit macht sie per Facebook und durch Flyer. Sie verfügt, unter anderem für die Einzelhilfe und Einzelförderung, über einen eigenen Büroraum auf der untersten Gebäudeebene der Grund- und Werkrealschule.

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Erstellt:
13.12.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 21sec
zuletzt aktualisiert: 13.12.2019, 01:00 Uhr

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