Schwer verdauliche Bewertung

Sie retteten das Leben eines Kindes und stehen dafür am Pranger: So fühlen sich die Verantwortlichen am Herrenberger Krankenhaus. „Spiegel Online“ hatte am Montag einen Bericht des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine bundesweite Qualitätserhebung an 1084 Kliniken für Frauenheilkunde und Geburtshilfe veröffentlicht. Unter den 73 beanstandeten Krankenhäusern ist auch Herrenberg. Weil dort im Juni 2017 ein Frühchen ohne die Anwesenheit eines Kinderarztes zur Welt kam, wird der Herrenberger Geburtsabteilung „unzureichende Qualität“ bescheinigt.

Dagegen wehrt sich nun der Klinikverbund Südwest, zu dem das Herrenberger Krankenhaus gehört. Die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe unter Leitung von Chefärztin Dr. Ines Vogel sei „eine der renommiertesten geburtshilflichen Abteilungen im Verbund“, heißt es in einer Mitteilung. Jährlich kämen dort an die 1400 Babys zur Welt. Weil die Klinik nicht über einen eigenen Kinderarzt verfügt, leite man potentielle Risiko- und Frühgeburten frühzeitig nach Böblingen weiter. Wenn eine Verlegung der Schwangeren nicht mehr möglich ist, rufe man einen Pädiater zur Geburt dazu. Der kommt dann mit einem speziell ausgerüsteten Babynotarztwagen mit Inkubator, um das Frühgeborene auf der Fahrt ins Perinatalzentrum zu versorgen.

Doch in dem beanstandeten Fall musste es schnell gehen. Die Frau kam in der 32. Schwangerschaftswoche mit starken Blutungen ins Herrenberger Krankenhaus. Das Leben des Kindes war akut in Gefahr. Die Chefärztin Vogel machte einen Notkaiserschnitt. Der alarmierte Kinderarzt traf 20 Minuten nach der Geburt ein. Dem Kind ging es gut.

All dies teilte man dem Gemeinsamen Bundesausschuss in einer Stellungnahme mit. Die aber traf wegen einer „verwaltungsinternen Übermittlungspanne“ zu spät ein. Eine persönliche Stellungnahme von Vogel wurde nicht mehr berücksichtigt. Der Klinik deshalb „unzureichende Qualität“ zu bescheinigen, ist für Vogel „nicht nachvollziehbar“ und für die „hoch engagierten Mitarbeiterinnen nur schwer verdaulich“.

Die Patientin selbst ist mit der Klinik zufrieden: „Einfach nur Top“, schrieb sie auf einem Bewertungsportal. „Die schnelle Handlung des Teams hat mir und meiner Tochter das Leben gerettet.“