Vor den wichtigsten Wochen des Jahres hakt und klemmt es bei den Bayern

Unrund zur Unzeit

Fehlt der "Feingeist" oder die "Geilheit", wie Thomas Müller meint? Oder ist es der Druck des hohen Anspruchs, der den Bayern die Lockerheit und den Spielwitz raubt, mit dem sie zu Saisonbeginn begeisterten?

07.04.2016

Von ARMIN GRASMUCK

Chance zum 2:0 vertan: Robert Lewandowski (l.) versuchte kurz vor Spielende den Querpass auf Phlipp Lahm, spielte ihn aber zu ungenau. Foto: dpa

Chance zum 2:0 vertan: Robert Lewandowski (l.) versuchte kurz vor Spielende den Querpass auf Phlipp Lahm, spielte ihn aber zu ungenau. Foto: dpa

München. Viele der 70 000 Zuschauer verließen die Allianz Arena mit einem Kopfschütteln und selbst im Kreis der sogenannten Experten fehlte der Stoff für die klare Analyse. Es lag vor allem an den Profis des FC Bayern, dass dieses 1:0 gegen Benfica Lissabon am Ende irgendwie komisch anmutete. Da war dieser Traumstart, schnell und berauschend, das frühe Tor durch Arturo Vidal, die vielen schwungvoll und präzise vorgetragenen Angriffe bis Mitte der ersten Hälfte. Da folgte jedoch auch der kollektive Zusammenbruch nach gut einer Stunde, in dem die Münchner eine Fratze zeigten, die in dieser Saison noch keiner gesehen hatte. Plötzlich lief alles daneben. Die Räume, sonst ordentlich und konsequent gepflegte Grundlage in dem Konzept von Trainer Pep Guardiola, schienen auf einmal schlecht verteilt. Vorne, hinten, in der Mitte, überall riesige Lücken, in welche die Gäste aus Portugal mit Wonne hineinstießen.

Die wankenden Bayern konnten sich allein bei Manuel Neuer bedanken, dass der knappe Vorsprung bis zum Schlusspfiff bestanden hatte. "Wir haben ein paar Fehler mehr gemacht als sonst", so erklärte Thomas Müller schließlich unverblümt. "Wir hätten gerne das zweite Tor gemacht, gehen aber mit einem guten Ergebnis in das Rückspiel. In Lissabon benötigen wir ganz sicher ein bisschen mehr Feingeist, mehr Geilheit und Esprit." Tatsächlich liegt es an den Münchnern, sich in dem Gastspiel bei Benfica am kommenden Mittwoch über die volle Distanz frisch, inspiriert und mit dem richtigen Biss zu präsentieren, sonst droht in der Champions League das unerwartet frühe Aus.

"Das Wichtigste war, dass wir die Null hinten halten", sagte Neuer. "Es muss auch mal ein 1:0 reichen. Wir fahren mit diesem Ergebnis nach Lissabon und wollen auf jeden Fall ins Halbfinale."

Von den zauberhaften Auftritten, mit denen sie die Anhänger im Herbst auch auf internationaler Ebene begeisterten, scheinen die Bayern weit entfernt. Zu Beginn der finalen Saisonphase sind sie professionell damit beschäftigt, sich an die vergleichsweise bescheidenden Fakten zu klammern. Selbst Guardiola, der Verfechter der stilvoll gepflegten Spielkultur, gibt sich rational und nüchtern. "Ich bin sehr zufrieden", sagte der Trainer. "Großes Kompliment an mein Team. Ich habe viel Vertrauen in die Qualität meiner Mannschaft." Wie und warum seine Elf in den vergangenen Wochen den spielerischen Glanz verloren hat, dafür findet auch Guardiola keine schlüssigen Worte.

Als Sinnbild des bayerischen Zauderns entpuppte sich Robert Lewandowski. Der Torjäger rackerte und ackerte zwar wie gewohnt in seinem eigentlichen Revier, dem Strafraum des Gegners, blieb er jedoch nahezu wirkungslos. Zwei Minuten vor dem Spielende verpasste er mutterseelenallein zehn Meter vor dem Kasten Benficas den Treffer zum 2:0. Normalerweise versenkt er den Ball blind. Diesmal plante er, quer auf Philipp Lahm zu passen - und stieß die Kugel weit an dem frei stehenden Kollegen vorbei. Lewandowski? Fehlpass über fünf Meter? Es war wirklich schwer zu fassen.