Berlinale

Unter Wasser liebt sich's besser

Christian Petzolds Wettbewerbsbeitrag „Undine“ hält die Balance zwischen Großstadt und Märchenwelt.

24.02.2020

Von Daniela Sannwald

Undine (Paula Beer) und Christoph (Franz Rogowski) können nicht mehr voneinander lassen. Foto: Christian Schulz/dpa

Undine (Paula Beer) und Christoph (Franz Rogowski) können nicht mehr voneinander lassen. Foto: Christian Schulz/dpa

Berlin. Beim ersten Blick, den die Kamera auf die Frau richtet, sieht man, wie verletzt sie ist, und man ahnt auch warum. Der Mann, der ihr gegenübersitzt, hat gerade mit ihr Schluss gemacht. Die Anfangsszene von Christian Petzolds Berlinale-Beitrag „Undine“ ist von erschütternder Intensität, und diese Intensität wird über den ganzen Film gehalten. Es geht um eine oder vielleicht zwei Liebesgeschichten; toxische Beziehungen würde man wohl sagen, wenn die Liebe zu groß ist, um sie zu ertragen.

Petzold hat den Undine-Mythos von der Wassernymphe, die ihrem Geliebten den Tod bringt, wenn er sie verrät, ins zeitgenössische Berlin und an einen Stausee in Nordrhein-Westfalen übertragen, wo ein Industrie-Taucher seinem Beruf nachgeht. Der ist Undines neue Liebe, in die sie sich stürzt, nachdem sie verlassen worden ist, und er entführt sie in seine Unterwasser-Welt, die doch eigentlich ihr Element sein sollte. Ist er vielleicht ebenfalls ein Verderber, der einer Geliebten, von der er sich verlassen glaubt, den Tod bringt?

Das Unterwasser-Sein ist eine schöne Metapher fürs Frisch-Verliebtsein, man taucht ja tatsächlich ab. Es ist dunkel da unten und geheimnisvoll, mitunter sieht man Dinge oder Wesen, an die man sich später, wenn man wieder an Land ist, nicht mehr erinnern kann.

Undine (Paula Beer) und Christoph (Franz Rogowski) können in „Undine“ nicht mehr voneinander lassen. Ihre Gefühle sind gewaltig und überwältigend, die Spannung zwischen ihnen lässt immer wieder Glas splittern, und selbst als Zuschauer hält man sie kaum aus.

Undine ist ausgerechnet Museumsführerin; sie erzählt ihren Besuchergruppen immer wieder die Geschichte des Stadtschlosses und der auf Sumpfland gebauten Stadt Berlin. Und so ist der Film vielleicht auch eine Parabel auf das Leben in der Großstadt im Neoliberalismus, auf prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse – was bedeutet schon eine verschwundene Wohnungsnachbarin in einem Haus, das von Kurzzeitmietern geprägt ist?

Wie friedlich und still ist dagegen die Welt unter Wasser, schwebende Pflanzen scheinen die Abgetauchten freundlich zu begrüßen, eine versunkene Stele bestätigt die Liebesbeziehung, die leise blubbernden Blasen, die von den Tauchermasken aufsteigen, sind wie Perlen, und dann und wann dringt ein Sonnenstrahl nach unten, der ein Wegweiser sein könnte, wenn man die Tiefe verlassen wollte. Aber die Tiefe birgt auch Monster – oder sind es nur Welse?