Unter dem Sand

Unter dem Sand

Zermürbend und faszinierend. Eine Frau lernt nach dessen Abgang ihren Mann kennen.

24.11.2015

Von Wolfgang Brenner

Unter dem Sand

Seltsam harmonisch ist die Stimmung zu Anfang von Sous le Sable, François Ozons jüngstem Erfolgsfilm. Da sind Jean und Marie seit 25 Jahren verheiratet, fahren gut eingespielt zu ihrem Ferienhaus am Meer, essen, lesen, schlafen miteinander ein. Per Knopfdruck, spärlich kommunizierend. Eben so, wie man sich lange verheiratete, aber glückliche Paare vorstellt. Bis Jean am Strand verschwindet.

Was Marie in der Folge wenig zu kümmern scheint. Für sie ist Jean noch immer da, wartet wie ein imaginärer Hund in der Pariser Wohnung der Dozentin. Kleine vertraute Gesten halten sie aufrecht, aus der schieren Gewohnheit erwachsene Illusionen, die der Realität nicht weichen wollen. Denn wie es mit der aussehen könnte, kriecht Marie erst langsam ins Bewusstsein. Ein Rezept für Antidepressiva, der Besuch bei der Schwiegermutter, die neben einem potenziellen Selbstmord noch weit verheerendere Gründe für Jeans Verschwinden anführt.

Schauer rieseln einem da beim Zuschauen den Rücken runter, wie sich nach und nach die Beklemmung einschleicht, und dass es sich bei allem Sichtbaren um bloße Fassade und blinden Selbstbetrug handeln könnte. Ein psychologisch fein gezwirbelter Horror ist es, den der 34-jährige Ozon in dem Beziehungsdrama verwendet.

Dass die kleinen Psychospielchen sein Ding sind, durfte man in seiner Fassbinder-Verfilmung Tropfen auf heiße Steine erfahren. Sehr trocken, überhaupt nicht gewichtig polternd und trotzdem tief einsickernd (gerade sieben Mal wird theatermäßig leicht plätschernde Musik eingespielt, als wollte Ozon sagen: Jetzt Luft holen, gleich wird es wieder Ernst), macht er das auch in seinem neuen Film. Nicht zuletzt durch die alles überstrahlende Charlotte Rampling, die schon mit Luchino Visconti, Nagisa Oshima und Woody Allen gearbeitet hat, sich hier Straußen-artig tief in den Sand eingräbt, der Trauer aber nicht entrinnen kann.