Ehrenamt

Unterrichtsstoff zwischen Stoffbahnen

In der Sulzer Nähwerkstatt bieten Ehrenamtliche zweimal in der Woche eine Hausaufgabenbetreuung für Flüchtlingskinder an. Um die Öffnungszeiten auszuweiten, werden weitere Engagierte gesucht.

16.03.2019

Von Cristina Priotto

Gerolf von Kürthy und Silvia Hüttenrauch kümmern sich mittwochs und freitags Nachmittags um die Hausaufgabenbetreuung für etwa zehn Schulkinder aus Sulzer Flüchtlingsfamilien. Bild: Cristina Priotto

Gerolf von Kürthy und Silvia Hüttenrauch kümmern sich mittwochs und freitags Nachmittags um die Hausaufgabenbetreuung für etwa zehn Schulkinder aus Sulzer Flüchtlingsfamilien. Bild: Cristina Priotto

Strahlend betreten zwei Mädchen die Nähwerkstatt. „Hast Du viel auf?“, fragt Silvia Hüttenrauch die Jüngere. Die Kleine nickt und antwortet: „Deutsch und Mathe“. Derweil empfängt Gerolf von Kürthy eine Jugendliche und erkundigt sich nach der Begrüßung: „Kommst Du gut mit in Mathe?“. Der Teenager sucht die richtigen Worte und erklärt dann: „Wir machen gerade Winkel, mit Geodreieck, Zirkel und so“. Kurz darauf stößt ein Junge im Grundschulalter dazu und hievt den Ranzen mit den Schulsachen auf den Tisch.

Die Szene spielte sich am gestrigen Freitagnachmittag in der Nähwerkstatt in der Brühlstraße ab. Dort bieten Gerolf von Kürthy, Silvia Hüttenrauch, Ina Schühle und Annette Schroer seit dem Schuljahr 2017/18 zwei Mal in der Woche ehrenamtlich eine Hausaufgabenbetreuung für Kinder aus Flüchtlingsfamilien an.

Das Angebot hat sich an den Grund- und den weiterführenden Schulen schon recht gut herumgesprochen, berichtete von Kürthy gestern bei einem Pressegespräch.

„Anfangs gab es Kurse für Erwachsene, doch das Interesse ließ nach“, erzählt der Chemiker. Zu Beginn des vergangenen Schuljahrs meldeten sich einige Grundschulen beim AK Flucht und Asyl, dass einige Flüchtlingskinder im Unterricht nicht mitkämen. „Da stand für uns fest, dass wir irgendetwas machen müssen“, berichtet der fünffache Vater und Mann von Lehrerin Dorothea Schrön.

Da die Räume der Nähwerkstatt nicht jeden Tag genutzt werden, entschied der AK-Lenkungskreis Sprache, das Angebot zu starten. Mit Aushängen an den Sulzer Grundschulen und im Schülercafé wurde für die Hausaufgabenbetreuung geworben. Bei einem Treffen erhielten Lehrer und Eltern nähere Infos.

Vier Ehrenamtliche helfen seither Erst- bis Fünftklässlern jeweils mittwochs und freitags am Nachmittag. „Das Schwierige daran sind die sehr unterschiedlichen Sprachniveaus“, beschreibt Gerolf von Kürthy eine Herausforderung. Während den einen aus der Silbenfibel vorgelesen werden muss, schreiben ältere Jugendliche auch schon mal eine Bewerbung für die Berufsschule. Wenn die zwischen fünf und zehn Teilnehmer auch noch alle an denselben Tischen sitzen – Restbestände des geschlossenen Holzhauser Gasthauses Am Berg – kann es schon mal unruhig werden.

Doch Silvia Hüttenrauch, Ina Schühle, Annette Schroer und Gerolf von Kürthy als bislang einziger Mann im Team lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Im Gespräch mit den Ehrenamtlichen wird schnell deutlich: Das Quartett engagiert sich gerne und aus Überzeugung. „Bildung ist der Schlüssel, der Identität schafft und bei der Integration hilft“, betont von Kürthy die Motivation. Die Erwachsenen bekommen von den Kindern auch etwas zurück: „Die Schüler sind alle sehr engagiert, wissbegierig und fleißig und die meisten sprechen besser Deutsch als die Eltern“, hat Hüttenrauch festgestellt. In der Schule macht sich die zusätzliche Unterstützung bemerkbar: „Die Lehrer melden zurück, dass man merke, wieviel die Kinder dank der Hausaufgabenbetreuung lernen und besser im Unterricht mitkommen“, erzählt Silvia Hüttenrauch.

Die Mädchen überwiegen, aber auch einige Jungen sind dabei. An Nationalitäten vertreten sind junge Syrer, Algerier, Gambier, Nigerianer und Afghanen.

Flüchtlingsstammtisch geplant

Die ehrenamtlichen Hausaufgabenbetreuer haben zwei Ziele: Mehr Teilnehmer und weitere Lehrkräfte, am liebsten Rentner. Denn da alle vier Helfer Vollzeit berufstätig sind, ist es häufig stressig, nach der Arbeit pünktlich in die Nähwerkstatt zu kommen.

Karl Götz vom Team der Nähwerkstatt will die Räume mehr beleben und plant zudem einen Stammtisch für Flüchtlinge. Dabei soll nur Deutsch gesprochen werden – damit auch die Eltern der Kinder die Sprache gut lernen.

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Erstellt:
16.03.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 43sec
zuletzt aktualisiert: 16.03.2019, 01:00 Uhr

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