Verblüffend tiefsinnige Komödie der Farrelly-Brüder über siamesische Zwillinge, die in Hollywood Karriere machen.

Unzertrennlich

Verblüffend tiefsinnige Komödie der Farrelly-Brüder über siamesische Zwillinge, die in Hollywood Karriere machen.

24.11.2015

Von Birgit Roschy, AP

Unzertrennlich

Siamesische Zwillinge sind eine der schrillsten Launen der Natur und lösen beim gemeinen Zeitungsleser Mitleid und, falls er ehrlich ist, zugleich voyeuristische Neugier aus. Mit diesen widerstreitenden Gefühlen spielt auch die jetzt in den Kinos anlaufende Komödie "Unzertrennlich", die naiv fragt: Wie lebt es sich eigentlich, wenn der Bruder wie Kaugummi an einem klebt?

Für Bob und Walt, die an der Hüfte zusammengewachsen sind und Leber und Leben teilen, scheint ihre Behinderung keine zu sein. Mehr noch, als Betreiber eines Fast-Food-Restaurants führt ihr doppelgemoppeltes Hamburger braten und Ketchup ausgießen zu Geschwindigkeitsrekorden.

Bestens integriert in ihrem neuenglischen Küstenstädtchen, tritt Walt sogar auf der örtlichen Theaterbühne auf; sein schüchterner Bruder Bob hängt ihm vor Lampenfieber schwitzend am Rockzipfel. Ihre Nachbarn und bald auch der Zuschauer nehmen es als gegeben hin, dass einer immer zu zweit ist: ihr Anderssein wird zur gelebten Normalität.

Als Walt Bob überredet, ihre Zelte an der Ostküste abzubrechen und nach Hollywood zu ziehen, wo Walt sein Glück als Schauspieler versuchen will, befürchtet man für die netten Provinzler das Schlimmste. Doch in der Stadt der Freaks und Schönheitschirurgen, in der sich Frauen ausbeulen lassen und auch Männer unter das Messer legen, erregt das brüderliche Doppelpack wenig Aufsehen.

Nach anfänglichen Misserfolgen wird Walt schließlich von der berechnenden Cher für eine Fernsehkrimiserie engagiert: So hofft sie, aus einem Knebelvertrag entlassen zu werden. Klar, dass die dann abgedrehte Serie gerade wegen Walt und seinem Schatten Bob zum Erfolg wird.

Denn der angewachsene Bruder lässt sich zwar mittels "Blue Screen" wegretuschieren, doch dank schlampiger Tricktechniker ist auf dem Fernsehbildschirm der Schatten von Walts Anhängsel zu erhaschen, was zu den besten Gags dieser Komödie führt.

Tabubruch inklusive

Die Regie führenden Brüder Bobby und Peter Farrelly, die einst mit Werken wie "Verrückt nach Mary" und "Dumm und dümmer" das Genre der Bad-Taste-Komödie erfunden haben, schrecken auch diesmal vor fast keinem Tabubruch zurück. Wenn Schürzenjäger Walt eine Frau abschleppt, reicht ein Vorhang, um Intimsphäre zu erzeugen.

Auf zotigere Latrinenkomik wurde aber verzichtet, wie sich überhaupt schenkelklopfender Humor eher rar macht. Da die unorthodoxen Farrellys das eigentlich Bizarre eines siamesischen Zwillingspaares ignorieren und sich ausschließlich auf praktische Fragen zu konzentrieren scheinen, verlieren sich sowohl Mitleid wie grobe Sensationsgier. Lediglich Amüsement stellt sich ein bei den pragmatischen Lösungen, die Walt und Bob für ihren Alltag und für ihren Umgang mit Frauen finden.

Teddybär als Tarnung

Einmal empfängt Bob, der seine bessere Hälfte ängstlich verleugnet, seine Brieffreundin Mae im Bett liegend, neben sich einen Riesenteddybären: einer der vielen um die Ecke gedachten Gags, die möglicherweise zu beiläufig und zu aberwitzig sind, um die Farrelly-Fangemeinde zufrieden zu stellen.

Ein Hinweis auf das veränderte Image der beiden schlimmen Finger, die seit "Verrückt nach Mary" stets mit Sperma-im-Haar-Witzen assoziiert wurden, ist die Mitwirkung von Stars wie Cher und Meryl Streep und nicht zuletzt des Oscargewinners Matt Damon und des oscarnominierten Greg Kinnear in den Hauptrollen.

Und wenn die Film-Brüder schließlich doch noch ihrer erzwungenen Zweisamkeit überdrüssig werden und sich an die gefährliche Trennungsoperation wagen, sind Filmemacher-Brüder noch lange nicht fertig mit dem Thema.

Erst jetzt läuft das verblüffend tiefsinnige Regiegespann der Farrelly-Brüder zu philosophischer Höchstform auf und verleiht dem Begriff des gespaltenen Ichs frische Bedeutung. Man darf gespannt sein, ob die beiden diese potenziell publikumsvergraulende Linie in kommenden Komödien durchhalten werden.

Zum Artikel

Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 45sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.
Boris Dollinger 03.02.200412:00 Uhr

Erstaunlich unklamaukig für einen Farrelly-Film, bricht diese Komödie wie mehr oder weniger alle Filme der Brüder eine Lanze für Randgruppen. Dies tut sie jedoch so unaufdringlich und charmant, dass man gar nicht anders kann, als sie und ihre Protagonisten einfach ins Herz zu schließen. Zusammen gehts eben doch besser.