Winter-Openair

Verein erhält das Tübinger Kult-Kino am Leben

Das Feuer brannte nicht nur im Topf: Auch die neuen Mitveranstalter des TSV Lustnau waren Feuer und Flamme für das Winterkino. Der Verein will die „Feuerzangenbowle“ erneut managen.

16.12.2018

Von Lisa Maria Sporrer

240 Liter Wein, 80 Liter Orangensaft und 40 Liter Rum kamen am Freitagabende in die Bowle. Karl-Heinz Mayr zündete 102 Zuckerhüte an. Die Stadt Tübingen hat die Ausrichtung des traditionellen Winter-Openairs „Die Feuerzangenbowle“ an den TSV Lustnau übertragen.Bild: Anne Faden

240 Liter Wein, 80 Liter Orangensaft und 40 Liter Rum kamen am Freitagabende in die Bowle. Karl-Heinz Mayr zündete 102 Zuckerhüte an. Die Stadt Tübingen hat die Ausrichtung des traditionellen Winter-Openairs „Die Feuerzangenbowle“ an den TSV Lustnau übertragen.Bild: Anne Faden

Und dann klappte es doch noch: Mit plötzlicher Wucht schoss die Stichflamme in den eisigen Winterhimmel überm Haagtorplatz. Der Mann mit Sakko und Zylinder hatte es nach mehreren Anläufen mit der Suppenkelle geschafft, den Rum-getränkten Zucker für die Feuerzangenbowle zu entzünden. Über 1000 Zuschauer des traditionellen Winter-Openairs applaudierten in Erwartung des wärmenden Zuckerhut-Heißgetränks, und Karl-Heinz Mayr stieg zufrieden von der Leiter runter.

Seit 27 Jahren wird zum Auftakt des Weihnachtsmarkts auf dem Haagtorplatz der Film „Die Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann auf einer Großleinwand gezeigt. Doch dieses Jahr drohte zum Schicksalsjahr zu werden. Denn: Die Stadt Tübingen konnte die Aufführung des Events nicht mehr wie bisher mit ihren Auszubildenden stemmen.

Nun hat der TSV Lustnau das traditionelle Winterkino übernommen. „Wir haben aus der Zeitung erfahren, dass neue Ausrichter gesucht werden“, sagt Mayr, Abteilungsleiter der Fußballerinnen. Robert Rauschkolb, Fußballer und Jugendleiter beim TSV, schlug vor, sich bei der Stadt dafür zu bewerben. Einen Tag später lag ein kurzes Bewerbungsschreiben des Lustnauer Vereins auf dem Tisch des Tübinger Ordnungsamtsleiters Rainer Kaltenmark.

20 Bewerber meldeten sich, 13 kamen in die engere Auswahl, sagt Kaltenmark. „Vereine haben bekanntermaßen Erfahrung als Veranstalter. Und hinter Vereinen stehen immer auch viele fleißige Vereinsmitglieder“, begründete Kaltenmark die Wahl des TSV. „Eigentlich hatten wir nur noch Kleinigkeiten zu organisieren“, sagt Mayr, der mit seinem Stellvertreter Matthias Meier die Fußballerinnen für den Ausschank mobilisierte und die Fußballer für Auf- und Abbau. Bereits um 8.30 Uhr machte sich der Aufbautrupp vom Vereinsheim auf zum Haagtorplatz, um Pavillons, Tische und Bänke aufzustellen und die Getränke abzuladen.

Während sich das Film- und Postproduktionshaus „Bewegte Bilder“ weiterhin um die Technik kümmert, die städtische Fachabteilung für Ordnung und Gewerbe die Organisation übernimmt und die Getränke bestellt hat, waren die Vereinsmitglieder hauptsächlich mit dem Verkauf und dem Ansetzen der Bowle beschäftigt. „Weil uns die Getränkemengen etwas wenig erschienen, haben wir im Vorfeld noch etwas Glühwein und Punsch dazu gekauft“, sagt Meier. Und das hat sich ausgezahlt: Von den 400 Litern Feuerzangenbowle war nach 45 Minuten nichts mehr da: alles ausverkauft.

Dank der Reserven gab es bis Film-Ende trotzdem noch heiße Getränke. „Der Abbau dauerte auch nur bis Mitternacht“, sagt Mayr, der ein positives Resümee zieht. „Es hat alles reibungslos funktioniert. Die Einnahmen waren erfreulich, das Wetter angemessen kalt, alle Beteiligten können zufrieden sein. Wir wollen das auf jeden Fall wieder machen.“

Darauf hoffen indes auch die Zuschauer: „Das ist klasse hier, das ist Kult“, sagt Richard Gerbl, der seit einigen Jahren die Feuerzangenbowle auf dem Haagtorplatz visuell und kulinarisch genießt. „Das ist doch von einem Studenten initiiert worden. Und im Zweifelsfall hätten wir’s halt selber machen müssen.“

Film mit Erklärung

Vor 27 Jahren hatte Carsten Schuffert von den „Bewegten Bildern“ die Idee zu dem Winterkino. Erstmals schickten die Veranstalter in diesem Jahr dem Film die Erklärung voraus, dass die „ Feuerzangenbowle“ 1944 in den ausgehenden Kriegsjahren dazu dienen sollte, die Volksmoral aufrecht zu erhalten. „Gerade in der heutigen Zeit, in der Teile der Gesellschaft nach rechts zu rücken scheinen, ist es uns wichtig, hierauf

bei aller Feierlaune, nochmals explizit

hinzuweisen“, so Schuffert.

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Erstellt:
16.12.2018, 18:07 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 39sec
zuletzt aktualisiert: 16.12.2018, 18:07 Uhr

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