Fußball

Vereint gegen den Hass im Netz

Beleidigungen, Bedrohungen und Hetze im Schutz der Anonymität: Profikicker wie Toni Kroos, Niklas Süle und Ron-Robert Zieler wehren sich gegen die Verrohung der Sitten.

10.04.2021

Von CARSTEN MUTH

Hass ist KEINE Meinung, sagen Toni Kroos und Co.. Foto: Montage Raiola / Fotos: dpa,afp

Hass ist KEINE Meinung, sagen Toni Kroos und Co.. Foto: Montage Raiola / Fotos: dpa,afp

Ulm. Der Blick ernst, die Stimme leise. Ron-Robert Zieler sitzt vor einem Bildschirm und liest eine Mitteilung vor, die er via – so genannter – sozialer Medien erhalten hat. Das, was er da vorträgt, lässt Zuschauer und Zuhörer erschaudern – und erschüttert zurück. „Mach den Enke und wirf dich vor den Zug“, liest Zieler vor. Zieler ist 32 Jahre alt, war Torwart beim VfB Stuttgart, steht inzwischen beim Bundesligisten 1. FC Köln unter Vertrag. Er war auch mal Keeper bei Hannover 96. Jenem Klub also, für den einst Robert Enke im Tor stand. Der frühere Nationalspieler litt unter starken Depressionen. 2009 nahm er sich das Leben.

Ron-Robert Zieler ist nicht der einzige Fußballer, der verstörende Botschaften erhält, mit Hass und Hetze im Internet konfrontiert wird. Auch viele andere Profi-Kicker haben diese Erfahrung gemacht – oder machen sie nach wie vor. Das wollen die Betroffenen nicht länger hinnehmen. Prominente Akteure wie Ron-Robert Zieler, die Nationalspieler Toni Kroos (Real Madrid) und Niklas Süle (Bayern München), RB Leipzigs Dayot Upamecano oder HSV-Goalgetter Simon Terodde wehren sich gegen die Vorrohung der Sitten im Internet. Unter dem Hashtag #uniteagainsthate (Vereint gegen den Hass) haben die Spieler eine Aktion ins Leben gerufen und ein zwei Minuten langes Video gedreht, in dem sie die an sie adressierten Hass-Botschaften öffentlich machen. Das Video wurde von Sports360, der Agentur Volker Struth (Berater von Toni Kroos) und den Berliner Signature Studios produziert.

Doch wer macht so etwas? Wer sind diese Menschen, die im Schutz der Anonymität pöbeln, drohen, jedwede gute Kinderstube vermissen lassen? Die Antwort ist nicht einfach, der Kampf gegen die Hetze ist es ebenfalls nicht. Dennoch oder gerade deshalb erheben die Profis nun ihre Stimme.

Die Spieler wollen nicht länger Opfer sein. Sie meinen: Es wurde höchste Zeit, etwas zu unternehmen und in die Offensive zu gehen. Findet Christopher Trimmel von Union Berlin. Der 34-Jährige sagte kürzlich dem RBB: „Wenn man bedenkt, wie viele Menschen sich sowas zu Herzen nehmen. Das kann schon einen Menschen zerstören. Von dem her ist es ganz, ganz wichtig. Sich zu wehren, sich zu verbünden.“

Mit im Bunde ist auch Bastian Oczipka, der mit seinem Klub Schalke 04 chronisch erfolglos ist und wohl aus der Bundesliga absteigt. Er hat diese Nachricht erhalten: „Für Dein weiteres Leben alles Schlechte. Auf dass Du eines Tages depressiv und schmerzhaft den Löffel abgibst.“ Auch wer Erfolg hat und als Profisportler auf der Sonnenseite steht, ist vor Angriffen nicht gefeit. Real-Star Toni Kroos muss lesen: „Ich hoffte du stirbst in der Hölle.“ Als „Drecksbastard“ wird Bayern-Abwehrmann Niklas Süle beleidigt.

Beispiele, die zeigen, welcher Hass, welche Hetze bekannten Sportlern entgegenschlägt. Was viele Spieler in die Zwickmühle bringt. Für sie sind die sozialen Netzwerke Fluch und Segen zugleich. Über die diversen Kanäle pflegen die Stars ihr Image. Mit zumeist harmlosen Postings auf Instagram oder Facebook halten sie Kontakt zu ihren in aller Regel dankbaren Fans. So berichtet etwa Bayern Münchens Thomas Müller über seine Pferdezucht, Eintracht Frankfurts Martin Hinteregger über einen Besuch bei seiner Oma in Österreich.

Die Zurschaustellung der eigenen Person der ohnehin in der Öffentlichkeit stehenden Akteure lockt offenbar aber auch jede Menge Leute an, die jedes Maß und jeden Anstand verloren haben. Gerade in Pandemie-Zeiten, in denen die Zuschauer nicht in die Stadien dürfen, es kaum Ventile für den angestauten Frust gibt. Sonny Kittel, Offensivspieler von Zweitligist Hamburger SV, hat deshalb die Reißleine gezogen. Der 28-Jährige hat sich komplett aus den sozialen Netzwerken verabschiedet, nachdem er Ende vergangenen Jahres in einem Spiel seines Klubs vom Platz geflogen war und daraufhin aufs Übelste beschimpft wurde. Hertha-Profi Maximilian Mittelstädt zog ebenfalls Konsequenzen. Er nahm sein Instagram-Profil wegen der Hasskommentare offline.

Toni Kroos und sein Nationalteam-Kollege Niklas Süle sind nach wie vor online. Sie machen jedoch deutlich, dass Hass keine Meinung ist. Am Ende des Aktionsvideos, in dem sie auftreten, heißt es: „Hinter jedem Bildschirm ist ein Mensch.“

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Erstellt:
10.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 06sec
zuletzt aktualisiert: 10.04.2021, 06:00 Uhr

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