Krimi

Verlorene Seelen in der Nacht

Der Jubiläumsfall zum 50. Geburtstag des „Polizeiruf 110“ führt ein neues Ermittlerteam ein und ist ein Geschenk an die Zuschauer. Von Martin Weber

28.05.2021

Großartig: Henry Koitzsch (Peter Kurth, links) und Michael Lehmann (Peter Schneider). Foto: © MDR/filmpool fiction/Felix Abraham.

Großartig: Henry Koitzsch (Peter Kurth, links) und Michael Lehmann (Peter Schneider). Foto: © MDR/filmpool fiction/Felix Abraham.

Er ging als Antwort der DDR auf den bundesdeutschen „Tatort“ an den Start und wurde nach der Wiedervereinigung beibehalten: Jetzt feiert der „Polizeiruf 110“ den 50. Geburtstag – und zwar mit einem Jubiläumsfall, der sich gewaschen hat.

Der von Thomas Stuber (Regie) und Clemens Meyer (Drehbuch) inszenierte „Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strande“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) aus Halle ist ein Geburtstagsgeschenk an die Zuschauer – kein Krimi von der Stange, sondern ein faszinierender und melancholischer Blick auf Einzelschicksale, von denen jedes eine eigene Episode verdient hätte. Zudem führt der Krimi ein neues Ermittlerpaar ein, das sich sehen lassen kann.

Peter Kurth spielt den altgedienten und von den Wechselfällen des Lebens desillusionierten Kommissar und Eigenbrötler Henry Koitzsch, der zu viel trinkt und gegenüber Zeugen schon mal ruppig wird. Peter Schneider gibt seinen jüngeren und sanftmütigeren Kollegen Michael Lehmann, der zu Hause eine große Familie hat – inklusive seines Schwiegervaters Thomas Grawe, der von „Polizeiruf“-Legende Andreas Schmidt-Schaller gespielt wird.

Der erste Fall, den die beiden lösen müssen, ist reichlich verzwickt. Er wird auf verschiedenen Zeitebenen und in Form von Kapiteln erzählt, zwischen denen die Handlung geschickt hin- und herwechselt und die mit Zwischenüberschriften versehen sind, von denen einige an alte Filmtitel der Krimireihe wie „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“ erinnern.

Ein Kellner wurde vor seinem Haus erstochen, und um an Zeugen heranzukommen, schaut sich die Polizei mittels Funkzellenauswertung an, wer in dieser Nacht in der Nähe des Tatorts war und mit seinem Handy telefoniert hat. Koitzsch und Lehmann befragen den verzweifelten Familienvater Maik Gerster (Till Wonka), der das Geld fürs Geburtstagsgeschenk seiner Tochter nicht zusammenbekommt, den an Demenz leidenden Ex-Eisenbahner Günter Born (Hermann Beyer) und die vordergründig lebenslustige, im Grunde ihres Herzens aber tieftraurige Katrin Sommer (Cordelia Wege), die ihre Nächte mit wechselnden Männerbekanntschaften verbringt und auch das Opfer gekannt hat.

Sie alle müssen den Mörder gesehen haben, können aber nichts zur Lösung des Falls beitragen. Erst die Befragung der beiden Nachbarn des Opfers und eines gewissen Rainer (Thomas Gerber), der das Ehepaar am Rande des finanziellen Abgrunds zum Tatzeitpunkt besucht hat, scheint die Ermittler weiterzubringen – doch dann kommt alles anders als gedacht und plötzlich geht es um einen weiteren Menschen, der in dieser Nacht zu Tode gekommen ist.

Der mit lauter tollen Schauspielern aus Ostdeutschland umgesetzte Film ist eine einprägsame Tragödie über verlorene Seelen im nächtlichen Halle.

Foto: Grafik: Bock

Foto: Grafik: Bock

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Erstellt:
28.05.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 17sec
zuletzt aktualisiert: 28.05.2021, 06:00 Uhr

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