Den Engpass beseitigen

Vertreter der Region drängen auf Höherstufung des Schindhaubasistunnels

Der Schindhaubasistunnel soll mit höchster Priorität vorangetrieben werden. Der Engpass im Tübinger Süden mit vielen Staus auf der Stuttgarter Straße muss schnellstmöglich beseitigt werden. Das Bundesverkehrsministerium soll den Entwurf des Bundesverkehrswegeplans in diesem Sinne nachbessern. Das fordern Vertreter der Region. Auch liegt ein entsprechender Appell dem Tübinger Gemeinderat zum Beschluss vor.

09.04.2016

Von Gernot Stegert

Ein alltäglicher Blick auf die Staus auf der Stuttgarter Straße zeigt: Hier besteht ein Engpass. Nur das Bundesverkehrsministerium sieht das anders. Bild: Metz

Ein alltäglicher Blick auf die Staus auf der Stuttgarter Straße zeigt: Hier besteht ein Engpass. Nur das Bundesverkehrsministerium sieht das anders. Bild: Metz

Tübingen. Als Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt Mitte März seinen Entwurf für den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 vorstellte, war der Jubel im Kreis Tübingen groß. Gleich drei Projekte hatten es in die höchste Kategorie, den „vordringlichen Bedarf“, geschafft: der Schindhaubasistunnel (B 27/B 28), die neue B 27 zwischen Nehren und Bodelshausen sowie die Ortsumfahrung Unterjesingen (B 28). Doch wurde auch Kritik laut: Denn der Schindhaubasistunnel wurde als weniger wichtig als die B 27 bei Ofterdingen eingestuft, und die Gäubahn fiel ganz aus dem Plan (wir berichteten).

Mittlerweile liegen detaillierte Informationen zum Bundesverkehrswegeplan vor. Demnach ist die B 27 zwischen Tübinger Kreuz und Bläsibad mit Schindhaubasistunnel zwar in der höchsten Kategorie für Bundesstraßen. Eine noch höhere Einstufung ist Autobahnen vorbehalten. Doch bestätigt sich, dass das Großprojekt nicht alle wichtigen Punkte erhalten hat.

In einer Übersicht aller Verkehrsvorhaben im Bundesplan steht bei den Kriterien „Engpassbeseitigung“ und „städtebauliche Beurteilung“ nichts. Obwohl in der 19-seitigen Beschreibung Sätze stehen wie: „Die B 27 führt als wichtige Nord-Süd-Verbindung vom Mittleren Neckarraum über Tübingen in den Zollernalbkreis.“ Die Ortsdurchfahrt sei mit mehr als 40 000 KFZ am Tag überlastet. „Die hohe Verkehrsbelastung der B 27 beeinträchtigt die städtebaulichen und umweltbezogenen Qualitäten im Bereich der Südstadt und der Gartenstadt erheblich.“ Und: „Durch den Abbau von Kapazitätsengpässen wird die Verkehrssicherheit erhöht.“ In der Zusammenfassung heißt es dagegen: „Städtebauliche Bedeutung: unbedeutend“.

Zum Vergleich: Bei der B 27 neu zwischen Nehren und Bodelshausen steht hinter „Engpassbeseitigung“ ein „ja“, die städtebauliche Bedeutung gilt als „hoch“. Auch der Jesinger Ortsumfahrung wird eine hohe städtebauliche Bedeutung zugemessen, allerdings keine Engpassbeseitigung.

Wichtig ist auch ein sogenannter Nutzen-Kosten-Faktor (NKF). Je höher, desto besser. Die B 27 im Steinlachtal liegt mit dem Wert 5,1 (bei 88 Millionen Euro Kosten) vor dem 217 Millionen Euro teuren Schindhautunnel (4,8) und der auf 86 Millionen Euro geschätzten B 28 in Unterjesingen (2,8). Das Optimum erreicht der sechsspurige Ausbau der B27 von Leinfelden-Echterdingen bis Aichtal. Er gilt als Engpassbeseitigung und hat mit „größer als 10“ den höchstmöglichen NKF.

Alle Faktoren können eine Rolle spielen, wenn der Bund entscheidet, wann er welche Projekte realisiert. Deshalb versuchen Vertreter der Region, in die endgültige Fassung des BVWP die Bedeutung des Schindhautunnels für den Städtebau und die Engpassbeseitigung noch hineinzubekommen. Der Tübinger Gemeinderat soll nach der Vorstellung von Oberbürgermeister Boris Palmer in seiner Sitzung am Montag einen entsprechenden Appell (siehe Infokasten) beschließen. Der Bundestagsabgeordnete Chris Kühn (Grüne) fordert auf TAGBLATT-Nachfrage ebenfalls diese Nachbesserung. Martin Rosemann (SPD) hat sich mit einem Brief an den Bundesverkehrsminister gewandt, um ihn um eine detaillierte Darstellung der Bewertung zu bitten und nochmal zu prüfen, inwieweit die Kriterien „städtebauliche Bedeutung“ und „Engpassbeseitigung“ nicht doch auf den Schindhausbasistunnel zutreffen. Die CDU-Abgeordnete Annette Widmann-Mauz betonte die Bedeutung des Tunnelprojekts, fordert aber noch nichts. Sie will ein Informationsgespräch beim Regierungspräsidium abwarten.

Besonders die Industrie- und Handelskammer macht Druck. „Wir sind froh, dass alle Projekte der Region im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans drin sind“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Epp dem TAGBLATT. Aber dass der Schindhautunnel keinen Engpass beseitigen würde, sei nicht nachvollziehbar. Vielleicht liege das an der Definition, nach der ein Engpass vorliege, wenn die Anzahl der von Stau betroffenen Streckenkilometer um 50 Prozent oder mehr reduziert werden kann. Doch das sei in Tübingen der Fall, erklärte Epp. Er verwies auf eine entsprechende Studie aus dem Jahr 2014.

Die IHK will sich beim Bund für eine Nachbesserung des Planentwurfs einsetzen: „Die Engpassbeseitigung soll da rein.“ Epp forderte zugleich die neue Landesregierung auf, den Schindhaubasistunnel in einer eigener Prioritätenliste nach oben zu setzen und auch die Regierungspräsidien mit genügend Personal auszustatten, damit die Planungen rasch vorankommen.

Info Bürger können bis zum 2. Mai eine Stellungnahme zum Entwurf des BVWP 2030 abgeben. Mehr unter: www.bmvi.de/DE/VerkehrUndMobilitaet/Verkehrspolitik/Verkehrsinfrastruktur/Bundesverkehrswegeplan2030

gsiehe das „Übrigens“

Die Stellungnahme des Tübinger Gemeinderats im Wortlaut

In der Vorlage für den Tübinger Gemeinderat steht: „Der Gemeinderat der Universitätsstadt Tübingen begrüßt die Aufnahme von Straßenbauvorhaben des Bundes auf Gemarkung Tübingen in den Entwurf des Bundesverkehrswegeplans. Der Neubau der B 27 im Schindhaubasistunnel hat für die Stadt große Bedeutung. Die Trennwirkung der bestehenden Durchfahrt der B 27 in der Tübinger Südstadt ist gravierend. Die Wohn- und Lebensqualität ist erheblich eingeschränkt. Die Belastungen durch Abgase und Lärm sind hoch. Das Warten auf den Neubau der B 27 blockiert die Entwicklung neuer Quartiere im städtebaulichen Entwicklungsbereich Südstadt und somit den Bau einer großen Anzahl von Wohnungen. Auch für den Durchgangsverkehr ist der Streckenabschnitt der B 27 in Bereich Tübingen das größte Nadelöhr in der gesamten Region Neckar-Alb. Berufspendler stehen hier täglich im Stau. Der Schindhaubasistunnel erfüllt sowohl die Kriterien für die Einordnung in Kategorie Engpassbeseitigung als auch bei der städtebaulichen Beurteilung die Einordnung in die Kategorie hohe städtebauliche Bedeutung im Bundesverkehrswegeplan in idealtypischer Weise. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Schindhaubasistunnel nicht in die vorrangige Kategorie Engpassbeseitigung aufgenommen werden soll und sowohl die Engpassbeseitigung als auch die hohe städtebauliche Bedeutung des Projekts nicht aufgeführt werden; dies umso mehr, als beide Kriterien im weiteren Streckenverlauf für die B 27 bei Ofterdingen als in hohem Maße erfüllt gekennzeichnet sind (...) Der Gemeinderat appelliert daher an das Bundesverkehrsministerium, dem Schindhaubasistunnel dieselbe Priorität einzuräumen wie dem Ausbau bei Ofterdingen, damit die Umfahrung Tübingen spätestens dann fertig gestellt wird, wenn auch der südliche Zulauf auf Tübingen voll ausgebaut ist. (...)“