Verwässerter Schildbürgerstreich?

Wasserentsorgung Den Anschluss des Abwasser-Kanalnetzes von Ahldorf und Mühlen an die Horber Kläranlage betrachtet mancher Bürger mit gewisser Skepsis.

03.12.2016

Von Gerd Braun

Insgesamt rund 4,5 Millionen Euro fließen in das RÜB Schelmenwasen und die weiteren Arbeiten zum Kanalanschluss nach Horb. Bild: Kuball

Insgesamt rund 4,5 Millionen Euro fließen in das RÜB Schelmenwasen und die weiteren Arbeiten zum Kanalanschluss nach Horb. Bild: Kuball

Dem interessierten Passanten ist nicht entgangen: In Mühlen, zwischen Bahnlinie und Neckar, wird dieser Tage im großen Stil gebaut. Tief ins Erdreich wurde eine Grube in den Untergrund getrieben, auf deren Fläche ein fürstliches Anwesen Raum hätte. Tatsächlich wird hier aber keine Residenz errichtet, sondern ein Regenüberlaufbecken (RÜB) mit Pumpstation, mit dem das Abwasser aus Ahldorf und
Mühlen zur Horber Kläranlage befördert werden.

Jüngst hakte ein interessierter Bürger bei der SÜDWEST PRESSE-Redaktion bezüglich dieser Bautätigkeit nach und meinte: „Wenn jetzt schon Fasnet wär‘, dann tät‘ man sagen: Jetzt braucht es die Ahldorfer und die Mühlener Sch…, damit die Horber Kläranlage ausgelastet ist.“ Und dafür pumpe man das Abwasser dann passenderweise auch den Neckar hinauf. Schildbürgerstreich, ha-ha!

Recht hat der interessierte Bürger, dessen Name der Redaktion bekannt ist, dahin gehend, dass die Horber Kläranlage nicht voll ausgelastet ist. Allerdings wurde im Jahr 2008 in einer Planungsstudie angegeben, dass in Horb „Ortserweiterungen absehbar“ seien, „mit denen die Kläranlage dann an ihre Grenzen stoßen würde“. Damals waren 15 000 sogegannter Einwohnerwerte (EW) angeschlossen, die Kapazität liegt bei 28 000. Das Stuttgarter Planungsbüro „Infra-Consult“ empfahl, Geld in die Modernisierung der Mühlener Kläranlage zu investieren und errechnete auf 50 Jahre hinaus darin die günstigste Variante für die Klärung des Wassers aus den zugrunde liegenden 2500 EW.

Nur Zuschüsse stützen Lösung

In der Studie steht wörtlich: „Die Behandlung des Abwassers von Mühlen und Ahldorf in einer der beiden anderen Kläranlagen (Mühringen oder Horb, Anm. d. Red.) wird finanziell überhaupt nur konkurrenzfähig gegenüber der Sanierungsvariante aufgrund der in Aussicht gestellten Fördermittel.“ Und: „Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass auch mit Stilllegung der KA Mühlen ein gehöriger Wartungs- und Unterhaltungsaufwand für die Pumpstation bestehen bleiben wird, damit die Entsorgungssicherheit gewährleistet ist.“

Der Horber Gemeinderat votierte im Februar 2012 dennoch für die im Plan unter Punkt „Alternative B2“ aufgeführte Variante, den Anschluss an die Horber Anlage. Obwohl diese in der „Infra-Consult“-Studie mit rund 700 000 Euro höheren Kosten angesetzt wurde.

In der Summe aller wirtschaftlichen Gesichtspunkte gipfelte die Entscheidung in der nun mit Beginn im August 2016 umgesetzten Lösung, die Stadtwerke-Betriebsleiter Eckhard Huber auch verteidigt. In der entsprechenden Erklärung der Horber Stadtverwaltung heißt es zur Option des Weiterbetriebs der Anlage in Mühlen: „Dies wurde wirtschaftlich untersucht und mit verschiedenen Varianten verglichen und ergab für den Gebührenzahler höhere Kosten.“ Stattdessen wird die 1983 eingeweihte Mühlener Kläranlage nach Abschluss der Arbeiten – geplant ist dies im dritten Quartal kommenden Jahres – stillgelegt.

Auch dass das Abwasser dauerhaft zum Klärwerk gepumpt werden muss, sei nicht zwangsläufig ein Widerspruch zur Wirtschaftlichkeit der Lösung: Das Abwasser werde derzeit schon zur Mühlener Kläranlage gepumpt. In der Stellungnahme der Stadt heißt es: „Die Kosten und der Energiebedarf wurden im Variantenvergleich und somit über den Projektkostenbarwert verglichen. Ergebnis: Es macht ökonomisch und ökologisch Sinn.“

Tatsächlich seien diese Kosten „im Projektkostenbarwertvergleich mit einkalkuliert“ worden und hätten „über eine längere Betriebszeitbetrachtung insgesamt ein Entscheidungskriterium für den Anschluss an die Horber Zentralkläranlage“ ergeben.

Was den eingangs erwähnten interessierten Bürger indes durchaus stutzig macht, ist sein Empfinden der Kommunikation seitens der Stadt zu diesem Infrastrukturprojekt: „Das ist doch auffällig: Da werden Millionen vergraben, und man kriegt da gar nichts groß davon mit.“

Daten zum Pumpwerk

Die Kosten für das Pumpwerk in Mühlen werden zusammen mit der begleitenden Infrastruktur auf 4,5 Millionen Euro taxiert. Zur Infrastruktur gehört auch das Regenüberlaufbecken „Schelmenwasen“, Bau der Abwasserleitungen und der Umbau des Kanalnetzes Schelmenwasen/Bruckwiesenweg. Begonnen hat der Bau mit dem Verlegen der Stromleitungen und der erforderlichen Trafostation im August 2016. Fertiggestellt sein soll das Bauvorhaben im dritten Quartal 2017. Die Strecke zum Klärwerk beträgt 3,2 Kilometer, die Rohrverlegung läuft bereits. Die zu befördernde Wassermenge beläuft sich laut „Infra-Consult“-Studie auf 31 Liter pro Sekunde.