Empfingen · Forstwirtschaft

Von Monokulturen zum Mischwald, von intensiver zu nachhaltiger Bewirtschaftung

Achim Walter, der Empfinger Revierförster, schilderte in einer zweieinhalbstündigen Waldbegehung die Herausforderungen, die Möglichkeiten und die Erfolge seiner Tätigkeit.

06.07.2020

Von Manuel Fuchs

Monokulturen wie diese rund 60 Jahre alten Fichten haben dem Borkenkäfer wenig entgegenzusetzen. Bilder: Karl-Heinz Kuball (2), Manuel Fuchs

Monokulturen wie diese rund 60 Jahre alten Fichten haben dem Borkenkäfer wenig entgegenzusetzen. Bilder: Karl-Heinz Kuball (2), Manuel Fuchs

Empfingens Bürgermeister Ferdinand Truffner hatte zu einem Waldbegang mit dem Revierförster Achim Walter eingeladen. Er werde an verschiedenen Stellen des Waldgebiets die Entwicklung aufzeigen, versprach die Einladung. Etwa 30 Personen, darunter viele Gemeinderäte, folgen ihr, und Walter hielt das Versprechen: Er wolle mit den Katastrophen beginnen und einen versöhnlichen Abschluss bieten, sagte er eingangs.

Gut ein Viertel der Empfinger Gemarkung, 470 Hektar, sind bewaldet. Das als „Katastrophe“ betitelte Stück fand sich im Gewann „Ameisenloch“ östlich der Autobahn und nördlich der B463 Richtung Haigerloch: In der Fichten-Monokultur, die in den 1950er- bis 1970er-Jahren auf vormals landwirtschaftlich genutzter Fläche aufgeforstet wurde, um vermeintlich rasch Erträge zu erzielen, hatte der Borkenkäfer leichtes Spiel. „Das hatte mal richtig gut ausgesehen“, sagte Walter und meinte damit den Zeitraum kurz vor der Fasnet. „Das war gutes Holz!“ –„Gwäää ...“, tönte es angesichts der vielen kahlen Kronen und nackter Stämme aus dem Publikum. Das Holz eigne sich allenfalls für Paletten.

„Wo ist er denn jetzt, der Käfer?“, fragte einer der Teilnehmer. Walter meinte, man müsse die Frage andersherum stellen: „Wo ist er nicht?“ Seit 1. Juni gehört das fragliche Stück der Gemeinde Empfingen; Walter hofft, mit einer Zweidrittel-Rodung des Schädlings Herr zu werden. Mit Humor verdeutlichte er die Dringlichkeit: „Der Käfer schafft 24 Stunden am Tag. Da gibt’s keine Gewerkschaft!“ Dennoch wolle er so viel Baumbestand wie möglich halten. Problematisch sei der Holzpreis: Gesunde Bäume dieses Formats erlösten 80 bis 90 Euro pro Festmeter, im aktuellen Zustand müsse man sich über 20 Euro schon freuen. Walter nannte das „ein Nullsummenspiel“. Tätig werden müsse er trotzdem, sonst verunkraute die Fläche. Froh sei er um jeden Baum, der die Monokultur aufbreche, sagte er und deute auf eine Eberesche und einen Holunder. Für die Wiederaufforstung als Mischwald schweben ihm – hier wie anderswo – beispielsweise Buchen, Bergahorn, Eichen und Linden vor; Fichten kommen von selbst nach. Wichtig sei „herkunftsgesichertes Material“, also Bäume aus der Gegend und mit vergleichbaren Standortverhältnissen. Allerdings sei die Fläche zu klein, um alle zur Verfügung stehenden Baumarten unterzubringen. „Für eine ordentliche Mischkultur brauch ich Fläche, 12 bis 15 Meter Abstand sollten Laubbäume voneinander haben.“ Fichten genügen acht Meter, aber selbst die seien in der Monokultur im „Ameisenloch“ unterschritten worden.

IKG-Pläne als Todesurteil

Ein ähnliches Problem und ähnliche Lösungsansätze demonstrierte Walter am zweiten Stopp nur wenige hundert Meter entfernt. Dort allerdings kam hinzu, dass der Wald in Privatbesitz steht und seit den Planungen um das Interkommunale Gewerbegebiet („Da kommt er ja eh weg“) wenig Pflege erfahren habe. Ein „Todesurteil für das ganze Waldstück“ nannte Walter dies. Man könne aber doch nicht einfach nichts tun und warten, was passiert. Er hofft, sich mit den Waldbesitzern so weit einigen zu können, dass sie sich wenigstens auf das erwähnte Nullsummenspiel einlassen: Käferholz entfernen und rasch zu einem Preis verkaufen, der die Forstarbeiten deckt.

Auf Nachfrage der SÜDWEST PRESSE, ob untätige Waldbesitzer für Käferschäden haftbar gemacht werden können, rief einer der Teilnehmer zwar ein empörtes „Nein!“ in die Runde. Walter jedoch zögerte mit der Antwort: Grundsätzlich könne jeder mit seinem Besitz tun und lassen, was er wolle, aber es gebe auch Paragrafen zum Thema Nachbarschaftsrecht. Es sei nicht einfach, und der Rechtsweg, so klang in Walters Worten durch, führe selten zum gewünschten Ziel.

Problematische Freiflächen

Der nächste Stopp war ein ambitioniertes, von einem Versandunternehmen gesponsertes, aber gescheitertes Aufforstungsprojekt. „Die Fläche hat letztes Jahr der Käfer in 14 Tage leergefressen“, meinte Walter. An einem Freitag sei er über den Befall informiert worden, am Montag habe er den Vollernter bestellt. Der sei am Dienstag angerückt, und bereits da sei die Rinde von den Bäumen von selbst abgefallen. Jetzt werde ein grundsätzliches Problem von Freiflächen sichtbar: Sie fallen schnell trocken, durchnässen andererseits auch so schnell, „dass man Reis anbauen könnte“. Dagegen helfe nur gezieltes und nachhaltiges Wiederaufforsten.

Einem ehemaligen Sorgenkind unter den Waldstücken galt als nächstes die Aufmerksamkeit: Die Gemeinde habe es vor 12 bis 14 Jahren gekauft; drei Jahre später wurde es durch Sturm und Käferbefall so beschädigt, dass ganz neu aufgeforstet werden musste. Allerdings kam das Vorhaben auf keinen grünen Zweig, nichts wollte wachsen. „Das war frustrierend. Die Waldarbeiter hatten schon überhaupt keinen Spaß mehr, hier zu arbeiten“, schildert Walter.

Vor einem Jahr entschloss man sich, das Gebiet mit einem 1,50 Meter hohen Zaun einzufrieden: „Ich hab mir nichts davon versprochen – aber ich habe mich geirrt. Anscheinend war das Wild doch ein Problem“, sagte Walter durchaus selbstkritisch. „Hätte ich mal lieber gleich einen Zaun gebaut. Aber er kostet einen Haufen Geld, und den verzinkten Draht muss man aufwendig entsorgen.“ Ihm schwebt an dieser Stelle eine Eichenkultur vor. Noch drei bis vier Jahre müsse der Zaun bleiben, dann können die Bäume dem Wild selbst widerstehen. „Jetzt kommen die Arbeiter auch wieder gern her“, schloss der Förster seine Ausführungen an dieser Stelle.

Den versprochenen versöhnlichen Abschluss bot ein Stopp nördlich von Empfingen zwischen Straßen nach Nordstetten und Dettensee in den Gewannen Seeholz und Seewald: 140 Jahre alter Baumbestand in hoher Qualität, ergänzt durch jüngere Gewächse, sorgen für eine gesunde Durchmischung. „Wenn ein alter Baum umfällt, ist der nächste schon da“, lobte Walter. Nadelholz sei ausschließlich im Oberholz zu finden, darunter komme Laubwald nach. Eine nicht einheimische Pflanze allerdings, das indische Springkraut, beschäftige ihn. Es wächst deutlich höher als das einheimische und überwuchert binnen kurzem Waldböden, weil die Samenkapseln die Samen mehrere Meter weit schießen können. Man werde es wahrscheinlich nicht mehr loswerden können, aber im Zaum halten müsse man es, konstatierte Walter.

Der Bodenlose See

Gewissermaßen als Bonus führte Walter die Gruppe noch zum Bodenlosen See, eine mit Wasser vollgelaufene Doline mit etwa 70 Metern Durchmesser, über deren genaues Volumen, die Zu- und Abflüsse wenig bekannt sei. In den 1960er-Jahren soll jemand im See den Freitod gesucht haben, woraufhin die Feuerwehr mit zwei Pumpen versuchte, den See zu leeren. Doch selbst in zwölf Stunden sei der Wasserspiegel kaum gesunken, erzählte Walter.

Im See schwebe knapp unter der Oberfläche eine halbmeter- bis meterdicke Moosschicht, die kleinen Bäumen und Sträuchern als Grundlage diene. Momentan stehe man vor der Frage, ob man den See sich selbst überlasse oder der weiteren Verlandung Einhalt gebieten, den Bewuchs wenigstens in der Uferzone zurückschneiden solle. Der See ist im Besitz des Fürsten von Hohenzollern, der auf Anfrage der Forstbetriebe zwar freie Hand für alle Arbeiten gewährt habe, sich aber nicht finanziell beteiligen wolle.

Für einen vollständigen Überblick hätte man auch noch den Wiesenstetter Wald besuchen müssen, räumte Walter am Ende noch ein, aber der „ist gerade eher so meine Sorgenfrei-Zone. Da gehen wir das nächste Mal wieder hin!“ Den Applaus der Teilnehmer durfte man als Zustimmung und als Lob für das Gezeigte werten.

Wenn sich der Borkenkäfer in einem Privatwald ausbreitet, ist Diplomatie im Gespräch mit den Besitzern gefragt. Die Holzpreise jedenfalls verleiten derzeit eher nicht zu Investitionen in Forstarbeiten.

Wenn sich der Borkenkäfer in einem Privatwald ausbreitet, ist Diplomatie im Gespräch mit den Besitzern gefragt. Die Holzpreise jedenfalls verleiten derzeit eher nicht zu Investitionen in Forstarbeiten.

Das Indische Springkraut macht Achim Walter viel Arbeit.

Das Indische Springkraut macht Achim Walter viel Arbeit.

Erst nachdem ein Zaun gezogen war, fruchtete die Wiederaufforstung mit Mischwald auf diesem Waldstück.

Erst nachdem ein Zaun gezogen war, fruchtete die Wiederaufforstung mit Mischwald auf diesem Waldstück.

„Im falschen Frühjahr“ wurde hier Jungholz gesetzt. Gerade einmal zwei Wochen dauerte es, bis sich der Käfer durchgefressen hatte. Die Freifläche muss wieder aufgeforstet werden.

„Im falschen Frühjahr“ wurde hier Jungholz gesetzt. Gerade einmal zwei Wochen dauerte es, bis sich der Käfer durchgefressen hatte. Die Freifläche muss wieder aufgeforstet werden.

Wie soll es mit dem „Bodenlosen See“ weitergehen?

Wie soll es mit dem „Bodenlosen See“ weitergehen?

Pflege und Erhalt der Feldwege

160 Kilometer Feldwege auf Empfinger Gemarkung unterstreichen die Rolle des Waldes als Naherholungsgebiet. Die regelmäßige Pflege der Wege bedeutet jedoch einen nicht unerheblichen Aufwand und ist ein reines Zuschussgeschäft. Beispielhaft führte Achim Walter die Gruppe zu einem Weg am nördlichen Rand der Gemarkung zwischen den Gewannen Seewald und Seeholzacker, der im vergangenen Jahr nahezu unbenutzbar gewesen sei. Hier habe man den Bewuchs gründlich entfernt und die Schotterschicht überarbeitet, ohne allerdings Neumaterial einzutragen, erklärte Walter. Das mit überschaubarem Aufwand erzielte Ergebnis kann sich sehen lassen und macht die Wichtigkeit dieser Arbeiten anschaulich.

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Erstellt:
06.07.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 54sec
zuletzt aktualisiert: 06.07.2020, 01:00 Uhr

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