Übrigens

Von guten und miesen Waschfrauen

22.04.2016

Von Ute Kaiser

„Die Waschmaschine ist die beste Feministin aller Zeiten.“ Das behauptet das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in seiner Rubrik „Früher war alles schlechter“. Mitte der Fünfzigerjahre, so ist dort zu lesen, stand nur in jedem zehnten Haushalt in Deutschland eine Waschmaschine. Heute haben 95 Prozent der Haushalte ein solches Gerät.

Anfang der 1960er Jahre half ich mit Begeisterung einer Nachbarin in der Gemeinschaftswaschküche der Mietshäuser im Südhessischen, wo ich aufwuchs. Da ging ich gerade in die Grundschule und hatte einen Heidenspaß daran, die eingeweichten Stücke mit einem langen Stock im Bottich umzurühren, bis meine Klamotten vor Waschwasser trieften. Beim Rubbeln und Auswringen dagegen verdonnerte mich die Mutter meiner besten Freundin zum Zuschauen. Sie fand, dass ich dazu noch zu jung sei. Dabei wollte ich so gern zu den Großen gehören.

Im Haushalt meiner Eltern stand da schon eine Waschmaschine. Das lag vor allem daran, dass mein Vater für Berge von weißen Hemden sorgte. Wenn er einen beruflichen Abendtermin hatte, so fand er, tat es das getragene nicht mehr. Ein frisches musste her. Das Gerät stand in der Küche. Es war leicht unter dem Tisch hervorzuziehen, denn es hatte keine Schleuder. Die stand separat im Badezimmer.

Ob Tümpel mit Froschlaich, der Natursee mitten in der Stadt oder die saubere, aber noch vor Nässe triefende Herrenoberbekleidung: Alles, was mit Wasser zu tun hatte, faszinierte mich. Deshalb bot ich an, die Schleuder zu befüllen. Das war meine zweitliebste Hausarbeit und fast ein physikalisches Experiment.

Meinen empirischen Studien nach kam es sehr wohl darauf an, wie sorgsam ich die Sachen in der Trommel drapierte. Tat ich es ohne Verstand, hüpfte das Gerät durchs ganze Badezimmer und verläpperte das raustriefende Wasser auf dem Teppich. Ich fand das lustig, meine Mutter weniger.

Keineswegs amüsiert war sie auch über ein dickes Lob von mir: „Macht nichts, meine Mutter ist eine gute Waschfrau.“ Das soll ich angeblich gesagt haben, als mich eine Nachbarsfrau auf meine völlig verschmuddelte Kleidung ansprach. Als Kind hatte ich viel Freiraum. Mit der Bande mehr oder minder Gleichaltriger gab es überall so viel zu entdecken, dass wir keine Rücksicht auf Reinlichkeit nehmen konnten.

An all das erinnerte ich mich bei der Lektüre der Waschmaschinen-Geschichte. Als ich danach meine frisch gewaschenen schwarzen Sachen aus dem Keller holte, fiel mir auch ein eindringlicher Rat meiner Mutter ein: „Schau immer erst in die Taschen.“ Das hatte ich verpennt. Die Folgen waren fürchterlich.

Das extra weiche Papiertaschentuch war in Tausende von kleinen Fetzen atomisiert, die innen und außen an der Wäsche hafteten. Ich brauchte viel Geduld und alle Blätter einer Fusselrolle. Meiner Mutter wäre das nie passiert, auch weil mein Vater nur Stofftaschentücher benutzte. Dafür gab’s ja die Waschmaschine. Ans Bügeln dachte er dagegen nicht. Das war Frauenarbeit – und er kein Feminist.