Sulz · Verkehr

Wiederbelebt und wachgeküsst

Der barrierefrei umgebaute Sulzer Bahnhof ist am Donnerstag eingeweiht worden. In der Unterführung werden Boden und Beleuchtung erneuert und die Decke gestrichen. Statt wie geplant zehn Monaten hat die Bahn 20 Monate gebraucht.

17.05.2019

Von Cristina Priotto

Erst nach den Reden zur Einweihung des barrierefrei umgebauten Sulzer Bahnhofs wurde eilends ein rotes Band gespannt. Dies durchschnitten (von links): Bürgermeister Gerd Hieber, Beate Schuler (Referatsleiterin Schieneninfrastruktur im MInisterium für Verkehr Baden-Württemberg), Michael Groh (Leiter Regionalbereich Südwest DB Station & Service AG), Wolf-Dieter Sutter (Leiter Bahnhofsmanagement) und Projektleiterin Lydia Hartmann. Die Aufzüge sind zwar in Betrieb, ganz fertig ist der Umbau allerdings auch nach 19 Monaten noch nicht. Bilder: Cristina Priotto

Erst nach den Reden zur Einweihung des barrierefrei umgebauten Sulzer Bahnhofs wurde eilends ein rotes Band gespannt. Dies durchschnitten (von links): Bürgermeister Gerd Hieber, Beate Schuler (Referatsleiterin Schieneninfrastruktur im MInisterium für Verkehr Baden-Württemberg), Michael Groh (Leiter Regionalbereich Südwest DB Station & Service AG), Wolf-Dieter Sutter (Leiter Bahnhofsmanagement) und Projektleiterin Lydia Hartmann. Die Aufzüge sind zwar in Betrieb, ganz fertig ist der Umbau allerdings auch nach 19 Monaten noch nicht. Bilder: Cristina Priotto

Es ist Donnerstag, 10 Uhr morgens, der langersehnte Tag für die Einweihung des barrierefrei umgebauten Sulzer Bahnhofs. Auf dem Bahnhofsvorplatz haben sich gut 100 Menschen eingefunden. Eine Bahn-Mitarbeiterin reinigt die Uhr auf dem Mittelbahnsteig – die Verspätung lässt sich so jedoch nicht beiseite wischen. Ein anderer DB-Beschäftigter hängt die Fahrpläne im Schaukasten gerade. Mitarbeiter der Baufirma schleppen Absperrbaken. Eine Frau trägt einen Kinderwagen die Treppe hoch, direkt neben den Aufzügen. Neugierige testen deren Funktion, steigen oben ein – und machen in der Unterführung große Augen, denn diese ist auch 19 Monate nach Baubeginn nicht saniert.

So sah der Sulzer Bahnhof vor der Sanierung aus.  Bilder: Cristina Priotto

So sah der Sulzer Bahnhof vor der Sanierung aus. Bilder: Cristina Priotto

Dem IC 2383 entsteigen mit leichter Verspätung zwei Dutzend Ehrengäste. Der Tross aus Verwaltungsmitarbeitern und Gemeinderäten begibt sich treppab und treppauf zum Bahnhofsvorplatz.

„Das ist ein großer Bahnhof hier in Sulz“, benutzt Michael Groh ein passendes Sprachbild. Seit dem Spatenstich am 10. Oktober 2017 hatte die Deutsche Bahn den Mittelbahnsteig auf einer Länge von 210 Metern erneuert, auf 76 Zentimeter erhöht und mit einem taktilen Blindenleitsystem versehen, neue Wetterschutzhäuschen gebaut, eine moderne Beleuchtung installiert, die Treppeneinhausungen ausgetauscht und zwei Lifte an die Unterführung angedockt. „Der Bahnhof ist jetzt von allen Reisenden barrierefrei nutzbar“, sagt der Leiter des Regionalbereichs Südwest der DB Station & Service AG zufrieden.

„Es lässt sich erkennen, dass die Stadt ein Herz für den Bahnhof hat“, lobt Groh und freut sich, schließlich profitiere der gesamte Schienenverkehr von einem „ordentlichen Erscheinungsbild der Bahnhöfe als Visitenkarte einer Stadt und des Bahnsystems“.

Per Intercity reiste die Sulzer Delegation direkt aus Bondorf an. Der dortige Bahnhof war zuvor auch nach dem Abschluss des Umbaus eingeweiht worden. Gerd Hieber, Bürgermeister von Sulz (Zweiter von links) und Stadtbaumeister Reiner Wössner steigen aus dem Zug.  Bilder: Cristina Priotto

Per Intercity reiste die Sulzer Delegation direkt aus Bondorf an. Der dortige Bahnhof war zuvor auch nach dem Abschluss des Umbaus eingeweiht worden. Gerd Hieber, Bürgermeister von Sulz (Zweiter von links) und Stadtbaumeister Reiner Wössner steigen aus dem Zug. Bilder: Cristina Priotto

Hieber übt deutliche Kritik

Das Bauen bei laufendem Betrieb sei relativ schwierig gewesen, zudem kamen komplexe Abstimmungen der Finanzierung und mit der Stadt hinzu, führt Michael Groh aus. „Der Umbau wurde erfolgreich und unfallfrei zum Abschluss gebracht“, zieht der Regionalleiter ein positives Fazit und wünscht den Nutzern „stets funktionierende Aufzüge und immer eine gute Reise“.

Bürgermeister Gerd Hieber nutzt den Anlass für Kritik an der Bahn: „Bis zur Jahrtausendwende ging es mit dem Sulzer Bahnhof stets bergab: Es gab keine Investitionen, das Bahnhofsgebäude wurde aufgegeben, die Attraktivität litt, die Nutzerzahlen stürzten ab“, erinnert Hieber an die desolate Lage. Erst in den vergangenen Jahren passierte etwas: 2009 kaufte, sanierte und vermietete Jens Faras das Bahnhofsgebäude an Betriebe. „Jetzt sind dort wieder viele Menschen unterwegs“, redet der Sulzer Bürgermeister der Bahn ins Gewissen. Stolz verweist Hieber auf das dafür maßgeblich verantwortliche Engagement der Stadt Sulz, die das Umfeld saniert, einen Park & Ride-Platz und den Busbahnhof geschaffen hat. „Die Nutzerzahlen des Bahnhofs haben sich erhöht“, sagt Gerd Hieber. Nicht unerwähnt lässt der Bürgermeister, dass die Stadt Sulz und der Gemeinderat „gerne bereit gewesen wären, noch mehr zu machen und zu investieren“. Gemeint ist der offene Treppenzugang vom Vorplatz her, der an einer Komplementärfinanzierung scheiterte. Der nahezu unveränderten Unterführung mit orangenen Fliesen und in die Jahre gekommenem Boden verpasst Hieber das Etikett „Anstrich des Gestrigen“, um abschließend versöhnlicher hinzuzufügen: „Ein langgehegter Wunsch der Bürger, auch aus den Nachbargemeinden Vöhringen und Dornhan, geht in Erfüllung“ und ermuntert alle zur Nutzung – auf dass „der Kleinstadtbahnhof Sulz in Zukunft noch mehr wachgeküsst wird“.

Mit den Aufzügen können die Nutzer auf eine Zeitreise in die Unterführung gelangen, die noch im Stil der 1970er-Jahre ist.  Bilder: Cristina Priotto

Mit den Aufzügen können die Nutzer auf eine Zeitreise in die Unterführung gelangen, die noch im Stil der 1970er-Jahre ist. Bilder: Cristina Priotto

Beate Schuler, Referatsleiterin Schieneninfrastruktur im Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, betont, der barrierefreie Ausbau der Bahnanlagen sei ein wichtiges Anliegen der Landesregierung und lobt: „Das Bahnhofsumfeld ist sehr schön gestaltet“. Durch solche Investitionen könne mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden.

Als alle Reden vorbei sind, wird flugs ein rotes Band gespannt, das ebenso schnell durchgeschnitten ist. Bevor die Gäste zum Buffet eilen, verkünden Michael Groh und Projektleiterin Lydia Hartmann am Rande, dass der Bodenbelag und die Beleuchtung in der Unterführung erneuert und die Aufzüge und Decken gestrichen werden. Zudem wird die Rampe vor dem Aufzug in der Unterführung noch beseitigt. Vollends barrierefrei wird der Sulzer Bahnhof voraussichtlich im Juli 2019 sein. Das wären dann 20 statt der angekündigten zehn Monate Bauzeit.

Kostenaufteilung:

Stadt Sulz: 300000 Euro

Land: 300000 Euro

Bund und Bahn: 4,9 Millionen Euro

Gesamt: 5,5 Millionen Euro