Amélie krankt am Liebeswahn. Allzu Ernst ist es dem Film Gott sei Dank damit nicht.

Wahnsinnig verliebt

Amélie krankt am Liebeswahn. Allzu Ernst ist es dem Film Gott sei Dank damit nicht.

24.11.2015

Von che

Wahnsinnig verliebt

„Die dunkle Seite von Amélie?, verspricht (oder droht) die Werbung. Doch nach den ersten Szenen fällt es schwer, das zu glauben. Da sehen wir Amélie, pardon: Hauptdarstellerin Audrey Tautou, selig lächelnd in einem Meer von Blumen, als liebreizende und kinderliebe Bedienung in einem Café und als begabte Kunststudentin im Zeichenkurs. Irritierend ist nur, dass diese Angélique ein heimliches Verhältnis mit einem verheirateten Mann, dem smarten Herzdoktor Loïc, pflegt. So etwas hätte Amélie nie getan!

Und es kommt noch schlimmer. Eines Tages erleidet Loïcs schwangere Gattin auf unerklärliche Weise eine Fehlgeburt. Eine Patientin, die nach einem Streit Loïc vor Gericht zerren will, liegt am nächsten Morgen tot in ihrer Wohnung. Wer nun den Rest der Handlung vorherzusehen glaubt (und bereits verschämt zu Gähnen anhebt), wird allerdings schon bald aufs Angenehmste aufgeschreckt.

Weil auch der Titel des Films wortspielerisch darauf verweist, darf man wohl verraten, dass es sich bei Angéliques großer Liebe um eine wahnhafte Einbildung handelt. Dieses Krankheitsbild ist freilich ebenso wenig eine Kinoneuheit wie der Gedanke, die selbe Geschichte nacheinander aus zwei Blickwinkeln zu erzählen. Auch andere Plot-Elemente, vor allem das Böser-Eindringling-zerstört-trautes-Familienidyll-Motiv, kennen Kinofans zur Genüge. Allerdings muss man der jungen Regisseurin Laetitia Colombani bescheinigen, dass sie diese angestaubten Bruchstücke äußerst kreativ zusammenkittet. Und weil die Inszenierung vor intelligenten Einfällen nur so strotzt, hat man am Ende einen vergnüglich-mysteriösen Liebesthriller gesehen.

Der größte Pluspunkt des Films ist nämlich, dass er die Untiefen typisch französischen Gefühlskinos elegant umschifft. Für ein bierernstes Psychodrama wäre die Geschichte auch viel zu abstrus. Stattdessen neigt die Regisseurin zu einer leichthändigen Verspieltheit, die Angéliques Besessenheit und Loïcs Verzweiflung ironisch abfedert. Deshalb kann man den Film ruhig auch jenen empfehlen, die Audrey als herzhaften Glückskeks in Erinnerung behalten wollen. Es ist doch alles nur eine Kino-Fantasie.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 57sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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