Mit Engelszungen

Warum die Energiewende nicht zu stoppen ist

Reutlingens Klimaschutzmanager Ralf Bültge-Bohla hat den Dokumentarfilm über die Energiewende, der am Mittwoch im Genossenschaftskino „Kamino“ lief, schon zum siebten Mal gesehen – und war wie die 90 Zuschauer begeistert.

09.12.2016

Von Matthias Reichert

Filmemacher Carl Fechner zeigt in „Power to Change“ den weltweiten Kampf um Ressourcen und die Beharrungskräfte, die sich immer noch für Öl und Kohle stark machen. Kleine Stadtwerke setzen indes auf erneuerbare Energien. Und mit Batterie-Speicherkraftwerken und Zementersatz sind saubere Technologien auf dem Vormarsch.

Ein Problem der Energiewende ist, dass die Renditen abschmelzen. Auch deshalb, weil Berlin sukzessive Einspeisevergütungen reduziert hat. Dennoch hält Maschinenbauer Dieter Manz die Energiewende für unaufhaltbar (siehe Artikel unten). Auch der Reutlinger Hochschulprofessor Frank Truckenmüller ist ein Überzeugungstäter. „In 10 bis 20 Jahren brauchen wir kein Großkraftwerk mehr hier“, sagte er beim Podiumsgespräch – früher hat er selbst Kraftwerke entwickelt.

Der moderierende VHS-Chef Ulrich Bausch verwies auf die „weltweite große Koalition der Klimaschutzgegner“, vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán bis zum künftigen US-Präsident Donald Trump. Die AfD sage in ihrem Programm sogar, Klimaschutz sei ein Irrweg, so Bausch. Laut Truckenmüller ist das nur ein Zeitproblem: „Das wird uns nicht aufhalten, weil die Ökonomie auf unserer Seite ist.“ Regisseur Fechner sieht sich als Teil einer emanzipatorischen Bewegung, die angesichts von weltweit 20 Millionen Klimaflüchtlingen bitter nötig sei.

Die Reutlinger Fair-Energie betreibt Wasserkraftwerke wie in Kirchentellinsfurt. Sie baut Fotovoltaik-Anlagen und hat 7 Millionen Euro in den Ostsee-Windpark Baltic 1 investiert. Günter Stumpfernagel berichtete von den langwierigen Planungen für neue Windräder in der Region, die nach fünf bis sieben Jahre noch wegen Rotmilanen scheitern können. Und es gebe Gegenwind aus der Bevölkerung: „Windkraft ist akzeptabel. Probleme gibt es, wenn die Anlagen vor die eigene Haustür sollen.“ Der Sonnenenergieverein Neckar-Alb fordert deshalb, Nachbarn an Energiegenossenschaften zu beteiligen. Das beabsichtigt die Fair-Energie in Zwiefalten und Riedlingen.

Film und Podium machen Mut. Doch die Gegenseite schläft nicht. Die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ etwa trommelt im Dienst der Wirtschaft auch an Schulen gegen Klimaschutz. Und Deutschland importiert weiter für rund 100 Millionen Euro im Jahr fossile Energien. Deshalb mag die Energiewende unaufhaltsam sein – ein Selbstläufer ist sie längst nicht.