WiP-Korrespondent USA

Warum klassisches Ingenieurwesen lebt

Über den Weltruhm deutscher Technik, den Wandel im Ingenieurwesen, die Wirrungen der Profitgier und den Einfluss von Lobbies spricht der US-amerikanische Maschinenbau-Professor und gebürtige Österreicher Ingmar Schögl im Interview. Er gilt als Experte für Motoren und Modellierung von Verbrennungsprozessen.

18.03.2022

Von Lorenzo Zimmer FOTOS: Marie-Luise Zimmer

Prof. Ingmar Schögl ist Associate Professor of Mechanical Engineerung an der Louisiana State University in Baton Rouge.

Prof. Ingmar Schögl ist Associate Professor of Mechanical Engineerung an der Louisiana State University in Baton Rouge.

Ist klassisches Ingenieurwesen tot? Und braucht man Künstliche Intelligenz, um es zu retten? Wird Elektromobilität bald alles dominieren? Ingmar Schögl beantwortet alle drei Fragen mit Nein. Der Maschinenbau-Professor an der Louisiana State University in den USA und Motoren-Experte erklärt im Interview, warum die Industrie der Forschung nicht immer gut tut, wieso ihn die Politik bisweilen desillusionierte und wofür „Made in Germany“ heute noch steht.

Herr Professor Schögl, es wird
viel über die Zukunft der
Mobilität diskutiert. Wie sieht
ihre Perspektive aus?

Prof. Ingmar Schögl: Wir haben in den USA eine andere Situation als in Europa, weil hier die Strecken sehr weit sind. Die Städte umzubauen, etwa einen stärkeren Fokus aufs Radfahren zu legen, wird hier nicht möglich sein. Und der ÖPNV funktioniert höchstens in Städten wie New York.

Sie leben in Baton Rouge,
einer Stadt mittlerer Größe. Könnten Sie ohne Auto leben?

Ich kann die Strecke zur Universität an Tagen, an denen das Wetter mitspielt, durchaus mit dem Rad zurücklegen und tue das auch. Aber schon wenn man einkaufen möchte, sind die Wege ohne Auto eigentlich zu weit.

Was hat Ihre Arbeit mit
Mobilität zu tun?

Ich habe viel an alternativen Brennstoffen geforscht. Letztlich ging es darum, bessere Treibstoffe zu finden. Am Ende der Obama-Jahre wurde diese Forschung in sehr vielen staatlichen Laboren vorangetrieben. Man wollte mit neuartigen Treibstoffen und zukünftigen Motoren möglichst effizient sein. Das Ziel unter Obama war, von fossilen Brennstoffen wegzukommen.

Warum kam man davon ab?

Die Regierung von Donald Trump setzte auf fossile Energieträger. Die Biden-Administration ist wieder anders ausgerichtet. Sie fokussiert sich darauf, die Mobilität zu elektrifizieren – alternative Treibstoffe aus nicht-fossilen Brennstoffen wurden beinahe aufgegeben.

Dem Elektromotor gehört
also die Zukunft?

Im Individualverkehr wird die Elektromobilität auch in den USA an Bedeutung gewinnen – gerade bei Menschen, die vorrangig kurze Strecken fahren. Sie werden mit Elektro-Fahrzeugen sehr gut auskommen. Lange Strecken sind mit elektrischen Motoren bisher kaum zu bewältigen, wenn man zwischendurch nicht lange Ladezeiten in Kauf nehmen kann. Und noch schlechter sieht es beim Schwerlastverkehr aus: Weite Teile der hiesigen Logistik funktionieren nur mit LKW, sie werden sehr stark gebraucht. Deswegen kann man aus US-amerikanischer Perspektive klar sagen: Der Verbrennungsmotor wird nicht so schnell verschwinden.

Ein Großteil der Mobilitätsforschung im süddeutschen Raum kommt heute nicht mehr
ohne Künstliche Intelligenz aus. Finden Sie das spannend?

Ja, zum Teil aber auch etwas kurios. Vor 20 Jahren gab es diese Themen auch schon, da lautete die Überschrift noch Neuronale Netzwerke. Sie wurden zwischenzeitlich etwas belächelt.

Warum belächelt?

Die Welt der Ingenieure hat sich lange dagegen gewehrt, die menschliche Intelligenz und den Erfindergeist als Maxime aufzugeben.

Und heute?

Wie gut man KI einsetzen kann, hängt sehr stark von der Problemstellung ab. Ich glaube schon, dass es Anwendungen dafür gibt, aber ich glaube auch, dass die Allgegenwärtigkeit der KI eine Modeerscheinung ist. Natürlich sind die Computer gut und werden immer besser. Aber wirklich alles können sie sich dann auch nicht beibringen. Das klassische Ingenieurwesen ist auf gar keinen Fall tot.

Aber Computer können besser Schach spielen als ein Mensch.

Ein anderes Beispiel wären neueste Roboter. Man sieht in spektakulären Videos, wie sie herumlaufen und fast natürliche Bewegungen ausführen. Die Utopie berühmter Science-Fiction-Filme scheint nur noch einen Steinwurf entfernt. Aber wie viele Jahre an Entwicklungsarbeit darin stecken, sieht man nicht. Man sollte die menschliche Intelligenz und ihren Anteil nicht unterschätzen. Wenn es um die Verarbeitung sehr großer Datenmengen geht, sind Computer unschlagbar und am besten ist es, wenn man menschliche und künstliche Intelligenz gemeinsam einsetzt.

Deutschland versteht sich als Land der Erfinder – Made in
Germany galt lange als
Qualitätsmerkmal. Können
Sie das nachvollziehen?

Ich glaube schon, dass da was dran ist. Viele der Spezial- und Messinstrumente, die etwa in den Materialwissenschaften gebraucht werden, kommen aus Deutschland. Wenn es um Hochtechnologie und Messtechnik geht, sind die deutschen Firmen an der Weltspitze. Die deutschen Autos sieht man ebenfalls nach wie vor – sie sind als solide bekannt. Aber: Die Konkurrenz etwa in Japan, Südkorea und China ist nicht weit zurück.

Was kann Deutschland, was können deutsche Ingenieure und Erfinder tun, um vorne zu bleiben?

Schwer zu sagen. Ich formuliere es mal so: Wenn man nur der Industrie zuhört, forscht man so lange an einem Thema, wie sich damit Geld verdienen lässt. Die Industrie richtet so aber auch Schaden an.

Also eigentlich muss man
die Forschung stärker von der
Industrie abkoppeln?

Richtig. Ich glaube, dass die EU und ihre Staaten gut daran täten, Forschungsziele vorzugeben und auch Fördergelder in die Hand zu nehmen. Man arbeitet oft kurzfristig bis zum nächsten Thema, aber viele der heutigen Probleme müssen von langer Hand angegangen werden.

Wie soll das gehen?

Es sollte weniger darum gehen, wer mit etwas kurzfristig Geld verdienen kann, sondern darum, wo wir als Menschheit hinwollen. Als ich als junger Akademiker dachte, ich würde mit der Forschung über alternative Brennstoffe die Zukunft mitgestalten, kam das Fracking auf und die Forschung war ganz schnell tot. Der Boom des Frackings hielt eine Weile an, der CO2-Gehalt-in der Atmosphäre stieg weiter an, es wurden Unmengen Geld verdient, aber für echten Fortschritt hat man Zeit verloren. Letztlich wird es nur mit einem gewissen Idealismus gehen.

Zur Person
Prof. Ingmar Schögl

Ingmar Schögl ist 1975 in Wels geboren, von 1993 bis 2000 studierte er Mechatronik an der Johannes Kepler-Universität in Linz. 1999 lernte er seine Frau kennen, eine Texanerin. Nach drei Jahren in Graz, im Bereich der Antriebssysteme für Autos tätig, ging der heute 47-Jährige mit seiner Frau in die USA. An der University of Texas in Austin promovierte er im Fach Maschinenbau und wurde dann zunächst als Assistant Professor, später als Associate Professor an die Louisiana State University in Baton Rouge berufen. Schögl lebt in Baton Rouge, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Zum Artikel

Erstellt:
18.03.2022, 07:58 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 01sec
zuletzt aktualisiert: 18.03.2022, 07:58 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter Prost Mahlzeit
Sie interessieren sich für gutes und gesundes Essen und Trinken in den Regionen Neckar-Alb und Nordschwarzwald? Sie wollen immer über regionale Gastronomie und lokale Produzenten informiert sein? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Prost Mahlzeit!