Ammertalbahn · Immer wieder maßlos überfüllt

Wegen Ausfällen zwischen Tübingen und Herrenberg prüft der Zweckverband Sanktionen gegen die RAB

Zugpendler im Ammertal sind Kummer gewohnt. Aber was sich in den vergangenen Tagen im Berufs- und Schülerverkehr auf der Bahnstrecke zwischen Tübingen und Herrenberg abspielte, haben viele so noch nicht erlebt.

07.04.2017

Von Uschi Hahn

Die Idylle täuscht: Die Zugfahrt durchs frühlingshafte Ammertal ist derzeit für viele Fahrgäste ein Abenteuer. Weil oft nur ein Waggon unterwegs ist, sind die Züge im Berufsverkehr hoffnungslos überfüllt. Bild: Grohe

Die Idylle täuscht: Die Zugfahrt durchs frühlingshafte Ammertal ist derzeit für viele Fahrgäste ein Abenteuer. Weil oft nur ein Waggon unterwegs ist, sind die Züge im Berufsverkehr hoffnungslos überfüllt. Bild: Grohe

Es sei „wahrlich ein Abenteuer“, berichtete am gestrigen Donnerstag ein Pfäffinger dem TAGBLATT: Morgens wie am Spätnachmittag waren die Züge an mehreren Tagen „maßlos überfüllt“, schilderte der Fahrgast die Situation. Einmal war es so schlimm, dass der Zugführer ein Einsehen hatte, und Leute in seine Fahrerkabine einstiegen ließ, „um möglichst viele Fahrgäste mitzunehmen“. Der Grund: Zu Zeiten, in denen sonst mindestens zwei Waggons fahren, war nur einer eingesetzt. „Das ist eine totale Fehlplanung und -steuerung der Bahn“, findet der erboste Berufspendler.

Da gibt ihm Dieter Braun recht. „Einzügig ist in der Hauptverkehrszeit untragbar“, sagt der Geschäftsführer des kommunalen Zweckverbands ÖPNV im Ammertal. Braun ist das Problem bekannt: „Es ist seit 14 Tagen sehr schlimm.“ Immer wieder bekommt er wütende Mails und Anrufe.

„Wir werden alles tun, um das wieder in Ordnung zu bringen“, verspricht der Nahverkehrsexperte im Tübinger Landratsamt. Nur: Viel tun könne der Zweckverband nicht. Betreiber der Strecke ist die „Regionalverkehr Alb-Bodensee“, kurz RAB, – eine hundertprozentige Tochter der Deutschen Bahn. Und die hat offensichtlich „einfach nicht genug Material“, wie Braun die Misere zusammenfasst.

Angekündigt werden die Fahrzeugausfälle nicht. „Wir erfahren erst im Nachhinein davon, wenn etwas schief läuft“, sagt Braun. Beschwert er sich dann bei der RAB, bekomme er immer nur zu hören, dass derzeit Triebwagen in Reparatur sind oder überholt werden. Die auf der Strecke eingesetzten Dieseltriebwagen des Typs Regio Shuttle RS 1 „sind alt und störanfällig“, wie Braun weiß. Sie seien allesamt in ihrem letzten vom Tüv vorgeschriebenen Achtjahreszyklus. „Danach sind die fertig und werden ausgemustert“, so Braun.

Hoffnung auf neue Schienenfahrzeuge hat der Ammertalbahn-Geschäftsführer in absehbarer Zeit kaum. „Ein Fahrzeug kostet vier Millionen Euro“, sagt Braun. „Das kauft man nicht einfach so.“ Neue Züge gebe es wohl erst, wenn ein neuer Verkehrsvertrag für die Schienenstrecke zwischen Tübingen und Herrenberg geschlossen sei. Die Ausschreibung bereite das Land derzeit zwar vor. Doch es gebe einen Vorlauf von vier Jahren.

Bis dahin soll die Strecke im Zuge der Regionalstadtbahn auch elektrifiziert sein. Jetzt neue Dieselfahrzeuge anzuschaffen, lohnt sich für die RAB also nicht. Zumal sie auch nicht wissen kann, ob sie den Zuschlag für den Anschluss-Vertrag bekommt. Das heißt, stellt Braun einigermaßen resigniert fest, „dass wir noch etliche Jahre mit den RS 1 fahren müssen.“

Druck machen will der Zweckverband trotzdem. Bezahlt wird eh nur, was geliefert wird. Fällt ein Fahrzeug aus, bekommt die RAB entsprechend weniger Geld. „Da wird akribisch abgerechnet“, versichert Braun. Aber Strafzahlungen bei Nichterfüllung der vereinbarten Leistungen sind in dem alten Vertrag zwischen dem Zweckverband und der RAB als Betreiber nicht vorgesehen.

Doch damit will man sich im Tübinger Landratsamt nicht abfinden. „Wir prüfen gerade juristisch, ob bei so krassen Fehlleistungen nicht doch wirtschaftliche Sanktionen möglich sind“, sagt Dieter Braun.

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Erstellt:
07.04.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 27sec
zuletzt aktualisiert: 07.04.2017, 01:00 Uhr

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RabeHugo 07.04.201711:01 Uhr

Nun haben wir seit vielen Jahren eine grüne Landesregierung und einen grünen OB in Tübingen. Mir kann doch keiner mehr erzählen, dass es irgendwelche äußeren Umstände sind, die einen vernünftigen Nahverkehrsanschluss an das stuttgarter S-Bahnnetz verhindern.
Wieso kriegt man in all den Jahren keinen Halbstundentakt zwischen Tübingen und Wendlingen/Herrenberg auf die Reihe? Wieso schließt man sogar den Bahnhof Lustnau, obwohl in dessen Nähe ein großes Neubaugebiet entstanden ist und nebenan bald noch Industriegeläne bebaut wird?
Ist es bei den Grünen Inkompetenz oder sind die nun auch nur noch Marionetten der Automobilindustrie?
Der Satz "Wir prüfen gerade juristisch" sagt doch Alles über diese Misere aus: Grüne Politik findet hier in der Region in einer Parallelwelt statt und dient nur noch dem Greenwashing. Im realen Leben ist von dieser Politik nichts zu spüren.
Ich hoffe, jemand klagt ähnlich wie in Stuttgart gegen die politisch Verantwortlichen, damit endlich mal was geht.

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