Der Zirkus Zambaioni hat große Pläne

Weil das Interesse so groß ist, sucht der Zirkus eine neue Trainingshalle für Nachwuchs-Artisten

Zirkus: Dafür können sich Kinder und Jugendliche auch im Internet-Zeitalter noch begeistern, vor allem wenn sie selbst in der Manege stehen. 250 zirkusbegeisterte Nachwuchs-Artisten trainieren mittlerweile beim Tübinger Zirkusprojekt Zambaioni, sie jonglieren, lernen Einradfahren, üben Diabolo, klettern an Seilen hoch, tanzen oder versuchen sich als Clowns.

26.01.2017

Von Ulrich Janßen

Viel Platz für Artisten-Nachwuchs: So sieht es im Inneren der Stadtwerke-Halle in der Tübinger Brückenstraße aus. Bild: Metz

Viel Platz für Artisten-Nachwuchs: So sieht es im Inneren der Stadtwerke-Halle in der Tübinger Brückenstraße aus. Bild: Metz

Und es werden immer mehr, die es ins Zirkus-Zelt drängt. „Wir haben“, sagt Gaby Müller vom Zirkus-Vorstand, „eine große Nachfrage nach unseren Kursangeboten.“ Längst gibt es nicht nur das bekannte Zambaioni-Ensemble, das sich jedes Jahr mit großem persönlichen Einsatz auf die populären Aufführungen vorbereitet.

Es gibt auch regelmäßige Sommerfreizeiten, ein Angebot für „Bambini“, Grundkurse für Einsteiger und seit Herbst auch eine neue Reihe „Zamba-Intensiv“ für Jugendliche ab elf Jahren. Dort wird zwar nicht so aufwändig geprobt wie im Ensemble, aber es geht schon recht anspruchsvoll zu, und die Absolventen dürfen nach einem Jahr auch öffentlich zeigen, was sie können.

Längst reicht der Platz im angestammten kleinen Saal im Loretto-Viertel für die vielen Angebote nicht mehr aus. Der Zirkus trainiert inzwischen auch im nahen Rock‘n‘Roll-Zentrum, im Theaterraum neben dem Latour im Französischen Viertel und in der Präventionssporthalle neben dem Boulderzentrum in der Bismarckstraße. Die vielen Standorte verursachen nicht nur hohe Mietkosten, sie sorgen auch für einen „wahnsinnig großen logistischen Aufwand“, sagt Müller. Schließlich müssen an den verschiedenen Spielstätten auch die zirkustypischen Trainingsgeräte wie Drahtseile oder Trapeze bereit stehen.

Seit einiger Zeit sucht der Vorstand des Trägervereins deshalb nach einer Halle, in der die verschiedenen Angebote zusammengebracht werden können. „Eine eigene Trainingshalle, das ist unsere große Vision“, sagt Müller.

Dass sich die Zambaionis ein solches Projekt, den Kauf einer eigenen Halle, mittlerweile zutrauen, hängt mit einer schlimmen Erfahrung zusammen. Im Jahr 2015 zerstörte der Sturm „Niklas“ das alte Zirkuszelt. Die Zambaioni-Verantwortlichen mussten für 80 000 Euro ein neues anschaffen. „Damals haben wir gemerkt“, sagt Müller, „wir kriegen das hin.“ Seither, bestätigt auch Vorstand Andreas Vögele, „spüren wir im Verein eine große Energie“.

Inzwischen haben die Zirkus-Leute für ihre Energie auch ein geeignetes Objekt gefunden. Die ehemalige Maschinenhalle der Tübinger Stadtwerke in der Brückenstraße, die seit etlichen Jahren leer steht. Mit ihren knapp sieben Metern Höhe und einer Fläche von 300 Quadratmetern wäre sie für den Zirkus-Bedarf optimal geeignet – zumal sie auch noch zentral liegt. In ihrer Begeisterung für die Halle haben die Vorständler des Trägervereins sich sogar schon mal vorsichtig die Finanzierungsmöglichkeiten angesehen und festgestellt, dass es gar nicht so schlecht aussieht.

Ein Zirkus ist nämlich, was Fördergelder betrifft, ziemlich breit aufgestellt. „Wir machen Jugendarbeit, wir machen Kunst und Kultur, und wir machen auch Sport“, sagen Vögele und Müller selbstbewusst. Vor kurzem erst sei der Zirkus dem Württembergischen Landessportbund beigetreten, was weitere Förderquellen erschließe. Hinzu komme, dass der Zirkus auch ein Angebot für die Flüchtlingskinder machen wolle, die demnächst in der Brückenstraße einziehen sollen.

Gut 900 000 Euro werde der Kauf und der Umbau der Halle ungefähr kosten, rechnen die Zirkusleute, ein Betrag, den der Verein zu zwei Dritteln mit Förderung und zu einem Drittel mit Krediten finanzieren wolle. „Wir sind nicht naiv“, betonen die beiden Vorständler, „sondern positiv gestimmt.“ Der über zwanzig Jahre alte Zirkus habe viel Erfahrung und könne auf „tatkräftige Mitglieder“ zählen. Morgens könne die Halle von Kindergärten und Schulen genutzt werden, nachmittags vom Zirkus.

Das größte Problem derzeit ist, dass die Stadtwerke ihre leerstehende Immobilie vorerst nicht verkaufen wollen. Dies teilte das Unternehmen dem TAGBLATT gestern Abend mit. Die Halle solle als „historisches Industriegut Tübingens“ für die Öffentlichkeit erhalten bleiben und „die Vielfalt der Tübinger Kultur- und Vereinsszene als Veranstaltungsstätte bereichern“. Einer einzigen Institution möchten die Stadtwerke ihre Halle nicht zur Verfügung stellen, man sei aber „mit mehren interessierten Vereinen und Kulturschaffenden“ im Austausch.

Sehr viele bereichernde Veranstaltungen kamen bei diesem Austausch bis jetzt allerdings noch nicht zustande: Ein CVJM-Gottesdienst und ein Requiem zur Erinnerung an „Fukushima“, das ist alles, wofür die Halle in den letzten Jahren genutzt wurde. Ansonsten steht sie einfach leer.

Damals ziemlich innovativ: Das Kraftwerk am Neckar

D ie Maschinenhalle des Neckarwerks wurde im Jahr 1922 gebaut und nahm zunächst eine Sauggasmaschine zur Stromerzeugung auf. Später folgten zwei Dieselmaschinen, mit deren Abwärme teilweise auch das Uhlandbad beheizt wurde. Innovativ war die schon 1921 eingerichtete hydraulische Akkumulierung, die auch von der Brückenstraße aus betrieben wurde. Mit überschüssiger Wasserkraft pumpte sie des Nachts Wasser in ein Speicherbecken auf dem Österberg.