Tübingen · Cine espanol

Weil gute Filme ins Kino gehören

Heute Abend wäre das Festival des spanischen und iberoamerikanischen Films im Tübinger Kino Arsenal gestartet. Nun wird es auf die Zeit nach dem Kultur-Lockdown verlegt, sagt Festivalleiterin Alba Fominaya.

03.12.2020

Von Dorothee Hermann

Ein Dokumentarfilm wird sich der chinesischen Schriftstellerin Sanmao widmen, die in den 1970er Jahren mit ihrem spanischen Mann in der Westsahara lebte. Bild: Cine espanol

Ein Dokumentarfilm wird sich der chinesischen Schriftstellerin Sanmao widmen, die in den 1970er Jahren mit ihrem spanischen Mann in der Westsahara lebte. Bild: Cine espanol

Eine digitale Ausgabe ist für Festivalleiterin Alba Fominaya keine Option: „Gute Filme gehören ins Kino. Festivals und Kinos sind unverzichtbare Orte der Begegnung und des Dialogs“, sagte sie auf telefonische TAGBLATT-Nachfrage. „Wir glauben, dass ein Festival eine soziale Funktion hat: Zusammenkommen und sich austauschen ist ganz anders, als zuhause vor dem Laptop zu sitzen.“

Neue Richtung für das Leben

Das Programm will die Kino-Enthusiastin erst bekanntgeben, wenn ein Termin anvisiert werden kann. Doch ein bisschen kiebitzen dürfen Tübinger Kinobesucher schon: Ein wichtiger Film sei die spanische Komödie „Rosas Hochzeit“ (La Boda de Rosa) von Icíar Bollaín. Darin beschließt die 45-Jährige Rosa (Candela Peña), ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Bisher hat sie vor allem für andere gelebt, als Kostümbildnerin bis zum Anschlag gearbeitet und sich um die Kinder ihres Bruders gekümmert. Nun zieht sie weg aus der Großstadt in einen verschlafenen Küstenort und eröffnet im alten Laden ihrer Mutter ein eigenes Geschäft. Doch da sind auch noch ihr Freund, ihre Tochter und ihr Vater.

Mit dem Schauplatz am Meer passt der Film perfekt zu Fominayas Programmkriterien: „Ich möchte Filme aus ganz Spanien zeigen, nicht nur aus Madrid und Barcelona.“ Einige Dokumentarfilme werden ebenfalls in das ländliche Spanien führen.

Weitere Themen sind Migration und Zeitgeschichte. Diesmal geht es um die spanische Exklave Melilla, „wo die Menschen über die Zäune springen“. Der Auseinandersetzung mit der Franco-Diktatur widmet sich das Festival kontinuierlich. „Mir geht es nie darum, Stars herzubringen. Mir geht es darum, Themen anzupacken und Spanien dem deutschen Publikum nahezubringen“, sagte Fominaya. Denn: „Es geht um Europa“, ist sie überzeugt. „Wir sind Spanier in Deutschland. Wir sind Europäer. Wie löst man bestimmte Probleme gemeinsam?“

Ein andalusischer Western

Dass sich unterschiedliche Kulturen begegnen, komme in Spanien sehr oft vor, und es gebe viele Geschichten darüber, sagte sie. „Wir werden einen sehr schönen Film haben über die chinesische Schriftstellerin Sanmao, die mit ihrem spanischen Mann in den 1970er Jahren in der Westsahara gelebt hat und später auf den Kanaren.“ Zuvor hatte sich Sanmao unter anderem in Berlin aufgehalten, wo sie täglich bis zu 16 Stunden Deutsch lernte und nach nur neun Monaten ein Sprachdiplom als Deutschlehrerin erwarb, wie Wikipedia vermerkt. Ihre dortigen Erfahrungen beschrieb sie in der Kurzgeschichte „Gefallene Stadt“. Ihre autobiografischen „Geschichten aus der Sahara“ sind auf Deutsch noch nicht erhältlich.

Zum Kultur-Mix des Festivals gehört auch ein andalusischer Western und Filme aus Lateinamerika. Die Dokumentation „Toloriu“ der mexikanischen Regisseurin Patricia Ordaz Cruz führt in ein kleines Dorf in den katalanischen Pyrenäen: Der Legende nach brachte ein Konquistador vor 500 Jahren eine aztekische Prinzessin dorthin, sagte Fominaya: „Es gibt noch heute Traditionen, die sich darauf beziehen.“ Überhaupt sei die Beziehung zwischen Spanien und Lateinamerika viel enger als bei anderen ehemaligen Kolonialmächten. Sie zitierte eine kolumbianische Freundin: „Wir hören die gleiche Musik, lesen die gleichen Bücher, sehen die gleichen Filme.“

Festivalleiterin Alba Fominaya Bild: Alexander Gonschior

Festivalleiterin Alba Fominaya Bild: Alexander Gonschior

Online-Ausgaben seien etwas für Festivals, die das Geld dazu haben, so Fominaya. Für die digitale Verbreitung stellen die Rechte-Inhaber und die Verleiher andere Bedingungen. „Wir sehen auch nicht ein, dass Tübingen und das Land ein Festival für die ganze Welt finanzieren“, sagte sie. „Wenn Tübingen zahlt, soll Tübingen auch etwas davon haben.“

Das Cine español gibt es seit 2010. Träger sind der Verein zur Förderung spanischer und iberoamerikanischer Kultur (Fominaya ist Vorsitzende), der Club Español de Stuttgart, der Spanische Eltern- und Kulturverein Tübingen-Reutlingen und der Arbeitskreis der lateinamerikanischen Vereine Circulo Latino. Das Choco-Kino, mit dem das Festival die Tübinger Schoko-Woche Chocolart bereichert, wird ebenfalls nachgeholt, sobald es im Kino wieder möglich ist. „Wir hatten schon alles geplant, und dann kam der November-Lockdown.“

Es geht auch ohne Blockbuster

Einige Filme waren bereits geordert und mussten wieder umbestellt werden. „Das sind logistische Herausforderungen. Man organisiert das Festival praktisch zweimal oder dreimal.“

Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr wurden Konzeptionen für die Ermöglichung von Kultur entwickelt, sagte Fominaya: „Und jetzt wird die Kultur wieder getroffen. Man kann nach Berlin fahren, sechs bis acht Stunden in einem vollbesetzten Zug, aber ins Kino darf man nicht.“ Im Moment sei alles unsicher: „Wir wissen nicht, was das finanziell bedeutet.“ Fällt das Festival aus, gibt es keine Förderung und keine Eintrittsgelder. Doch sie kämpft dafür, „dass nach der Krise keine kulturelle Brache zurückbleibt“.

Die Festivalmacherin hat auch kein Verständnis dafür, wenn Kinos geschlossen bleiben, weil keine Blockbuster anlaufen: „Es gibt genügend Filme!“, betonte sie. „Fördern wir den europäischen Film.“

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Erstellt:
03.12.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 21sec
zuletzt aktualisiert: 03.12.2020, 01:00 Uhr

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